MUSÉE RÉSISTANCE SUISSE 1940–1990

  22.12.2017 Gstaad, Kultur, Saanenland, Schweiz, Region, Zweisimmen, Ausstellung

Es waren keine Medien zugelassen und es gab keine Zaungäste: Am 23. November wurde nach zweijähriger Bauzeit das nationale Museum des Widerstandes tief im Fels am Oberbort eingeweiht. So, wie man sich eine militärische Feier vorstellt.

Die 62 Ehrengäste aus der ganzen Schweiz wurden mit Bussen des Gstaad Palace durch die Baustellen der Oberbortstrasse zum Haupteingang gefahren, wo sie registriert wurden und ihre Handys in Sicherheitstaschen deponieren konnten. In der grossen Aula des Museums spielte eine Formation des Armeespiels zum Begrüssungskaffee. Dann sprach Bundesrat Ueli Maurer zum Thema «Widerstand als Ultima Ratio einer freien Nation». Er hatte als Chef VBS das Museumsprojekt während Jahren begleitet und ermöglicht. Zu den Klängen der Landeshymne und des Fahnenmarsches zog eine Fahnenwache im Tarnanzug auf und überbrachte dem Museum die Fahne der Widerstandsorganisationen Projekt 26 und Spezialdienst UNA. Regierungsrat Hans-Jürg Käser, der 2012 im Schloss Spiez die Berner Widerstandsregionen entlassen hatte, überbrachte die Grüsse des Standes Bern. Der Militärhistoriker Jürg Stüssi spannte dann zweisprachig den Boden von den Anfängen der ersten Widerstandszellen im September 1940 bis zur unschönen Liquidation im Jahre 1990. Dann folgte als Abschluss des Festaktes der Dokumentarfilm zur Geschichte der Widerstandsvorbereitungen gegen braune und rote Diktaturen «Die Freiheit ist uns nicht geschenkt». Nun konnten die Besucher die Hauptausstellung und die Teilausstellungen Funk, Ausbildung im Schweizerhof, Logistik, Sabotagetechnik und Geniemittel durchwandern. In der systematischen Sammlung der Funkgeräte 1941–1990 erklärte der letzte Funkinstruktor von P-26, «Volker», die bis heute nicht knackbare Chiffriertechnik des One-Time-Pad und im 180-Grad-Schiesskeller führte Techniker «Urs» das lautlose Sabotagegewehr G 150 vor, das er entwickelt und in Serie gebaut hatte. Geschichtsinteressierte lasen sich durch die Sonderausstellung «Widerstand 1499», die erstaunliche Parallelen zur heutigen Situation der Schweiz sichtbar macht. Unterdessen war in der Aula der «Apéro riche» bereit, gespendet und liebevoll serviert durch das Golfhotel Les Hauts de Gstaad. Ein rundum gelungener Anlass, an dem neben Nationalräten, Regierungsräten und Armeevertretern auch drei der aktuell fünf Sponsoren des Museums teilnahmen. Durch Bundesrat Maurer persönlich geehrt wurde der letzte Widerstandschef der Region 70 Gstaad.

Geschlossen bis 2041…
Nach der Einweihung schliessen sich die drei Panzertüren des Museums für mindestens 24 Jahre. Das lässt natürlich die Frage aufkommen, warum man ein Museum gestaltet, das dann nicht öffentlich zugänglich ist. Die Antwort liegt in der Zweckbestimmung des Museums: Es soll nicht nur das am höchsten eingestufte Baudenkmal von Gstaad ungeschmälert im Originalzustand der Nachwelt erhalten, sondern auch die Geschichte des Schweizer Widerstandes dokumentieren. Das Museum zeigt Materialien, Akten und Personenverzeichnisse, die 1991 ebenso unter eine fünfzigjährige Schutzfrist gestellt wurden wie die Akten der PUK EMD von 1990. Um diese Schutzfrist nicht zu verletzten und die Persönlichkeitsrechte der Mitglieder zu wahren, enthalten die Verträge und Vereinbarungen mit dem Bund sehr einschränkende Auflagen. Das Museum wäre 2041 nicht mehr zu realisieren, weil dann kaum mehr Zeitzeugen leben würden, Material durch Unkenntnis achtlos entsorgt und der «Schweizerhof» längst einer anderen Nutzung zugeführt worden wäre. Darum war es richtig, das noch vorhandene Wissen, die Akten und das Material jetzt zusammenzutragen, richtig auszuwerten und viersprachig darzustellen. Nach Ablauf der Schutzfrist wird das VBS entscheiden, ob die Verträge angepasst und die Bestimmungen für die Restlaufzeit bis 2065 gelockert werden können. Bis 2041 sollen Ausnahmen gelten für den Nachrichtendienst des Bundes, die ehemaligen Mitglieder und die zehn Sponsoren des «Club of 10», die das Museum mit beschränkter Gästezahl in zwei jährlichen Zeitfenstern besuchen können. Einmal über Neujahr und einmal im Sommer. Wer sich für die Geschichte des Widerstandes interessiert, muss aber nicht 24 Jahre warten. Im April 2018 erscheint die erste Dissertation zum Thema, die vom Museum mit Informationen unterstützt wurde, in Buchform.

Die Widerstandsregion 70 Gstaad-Saanenland
Die aufgelöste Widerstandsregion 70 Gstaad-Saanenland stand bei der Liquidation von 1990 in einer Aufbauphase, der bereits ausgebildete Regionschef hatte schon sein Team zusammengestellt, das 1990/91 die Grundausbildung im «Schweizerhof» durchlaufen sollte. Neben der Region 70A sollte ohne Querverbindungen auch die Reserveregion 70B aufgebaut werden, die nach einer Vernichtung der Hauptregion A das Hydraprinzip von P-26 umgesetzt und die vom Feind liquidierte Widerstandszelle sofort ersetzt hätte. Die Regionen 70A und 70B wären bei allgemeiner Kriegsmobilmachung von der Armee aus dem Zentrallager «Château» im Artilleriewerk A 140 Toveyres in Lavey VD unabhängig voneinander mit 21 Containern für die Hauptregion A und sieben Containern für die Reserveregion B ausgerüstet worden. Sogenannte «Anschlussräume», also vorbestimmte Kontaktzonen, gab es zu den Nachbarregionen 46 Thun, 55 Freiburg, 54 Sitten und 88 St-Maurice. Auch diese Nachbarregionen basierten auf dem Zentrallager «Château».

Die Geschichte der geheimen Widerstandsvorbereitungen im Saanenland reicht zurück bis ins Jahr 1940, als in grösster Bedrängnis des Landes beherzte Frauen und Männer das Gelöbnis der «Aktion nationaler Widerstand» ANW unterschrieben. Sie verpflichteten sich, ihr Leben im Widerstand zu opfern. Das Gelöbnis von 1940 wurde später durch andere Verpflichtungen ersetzt, bei P-26 war es dann ein Vertrag, der vom Generalstabschef gegengezeichnet war. Aber während fünfzig Jahren galt unverändert die eiserne Regel des Widerstandes: Kein Mitglied fällt lebend in die Hand des Feindes. Der Freitod als Ausweg von Folter und Verrat konnte den Rest der Zelle retten.

Wie wir aus der Geschichte des französischen, holländischen und norwegischen Widerstandes wissen, wären im Besetzungsfalle durch Hitlerdeutschland solche Gelöbnisse in der Hand der Gestapo zu sicheren Todesurteilen geworden. Die spätere Widerstandsregion 70 bestand in der ersten Staffel aus den beiden Zellen Zweisimmen und Gstaad. Das Archiv des Widerstandes in Museum im «Schweizerhof» kennt die Namen.

FELIX NÖTHIGER


ZUR PERSON

Der Historiker Felix Werner Nöthiger (Jg. 1943) leitet die militärhistorische Gesellschaft des Kantons Zürich und ist für das nicht öffentliche Museum MUSÉE RÉSISTANCE SUISSE 1940–1990 in Gstaad verantwortlich. Er ist zudem Sekretär der Veteranenvereinigung C 717.


GELÖBNIS

Das von Hauptmann Hans Hausamann verfasste Gelöbnis, das dem Sinne nach während fünfzig Jahren den Geist des Widerstandes umschrieb, lautet: «Ich bin entschlossen und bereit, ich gelobe, unter Einsatz von allem und jedem, zu kämpfen…
• für die Freiheit, Ehre und Unabhängigkeit der schweizerischen Eidgenossenschaft, geworden auf christlicher Grundlage,
• für die Freiheit der Person und des Gewissens,
• für die Freiheit der Gemeinschaft auf föderalistischer Grundlage,
• für die Volksherrschaft auf Grund persönlicher Verantwortung,
• für die Sicherung von Arbeit und Brot eines jeden Eidgenossen,
• gegen jeden Defaitisten, stehe er, wo er wolle.»

DIE ERSTEN MITGLIEDER
Die ersten Mitglieder der Widerstandsregionen Zweisimmen und Gstaad von 1940:

Region Zweisimmen
Gautschi Hans, Gerichtspräsident, Zweisimmen
Dr. W. Kurt, Tierarzt, Zweisimmen
Ernst Friedli, Lehrer, Zweisimmen
Adolf Hebeisen, Sekundarlehrer, Zweisimmen

Region Gstaad
Ernst Frautschi, Lehrer, Turbach/Gstaad
Rudolf Wehren, Sporthotel, Saanenmöser
Robert Wehren, Hotel Bahnhof, Saanenmöser
Walter von Siebenthal, Hotel Bernerhof, Gstaad
Fritz Reichenbach, Holzhandlung, Gstaad
Ernst Graa, Notar, Gstaad
Jacques Naegeli, Fotograf, Gstaad
Hans Hutzli, Postverwalter, Gstaad
Gottfried Hauswirth, Landwirt, Saanenmöser


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