Liebe – Schmerz – Leidenschaft – Sehnsucht – Freiheit

  13.08.2019 Saanen, Kultur, Konzert, Kirche

Das war ein starker Auftritt einer faszinierenden Frau in einer berstend vollen Kirche Saanen. Ute Lemper trat am Sonntag mit ihrer Band im Rahmen des Gstaad Menuhin Festivals mit «Cabaret & Chansons» auf.

LOTTE BRENNER
Die Stimme von Ute Lemper drückt, mal gehaucht, mal heiser verrucht, dann wieder laut aufschreiend, die Leiden unterdrückter Menschen, leidenschaftlichen Schmerz der Liebe und vor allem die Sehnsucht nach einem besseren Leben aus. Tonangebend ist das französische Chanson, doch reicht Ute Lempers Repertoire dieser «Befreiungslieder» weit über die Grenzen Frankreichs hinaus.

Besonders angetan haben es ihr die Botschaften Friedrich Holländers, der, von den Nazis verfolgt, nach seiner Emigration zeitkritische Revuen verfasste. Sein Lied «Ich bin von Kopf bis Fuss auf Liebe eingestellt» hinterliess einen ebenso starken emotionalen Eindruck wie das Kriegslied «Sag mir, wo die Blumen sind», mit welchem Lemper den Chanson-Abend einstimmte. Jene Zeit, die einst Marlène Dietrich prägte, wurde durch Ute Lemper unverkennbar und doch eigenständig wiederbelebt. Die Sängerin, wie sie sagt, in der Saaner Kirche durch die Geister der Vergangenheit inspiriert, interpretierte eindrücklich Philosophien und Gedanken von Literaten, deren Texte mit Poesie und Charme in Chansons umgesetzt wurden. In diesem wunderbaren, kostbaren Gedankengut geht es immer wieder um die nimmer sterbende Illusion von Glück, der grossen Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit.

Musikalischer Zeitspiegel
Neben Liedern von Edith Piaf und Jacques Brel sang Ute Lemper das, wie sie sagt, traurigste Lied von Léo Ferré, das berichtet, wie unaufhaltsam die Zeit vorüberstreicht und Pläne, Träume und Illusionen mit sich nimmt. Im zweiten Teil des Konzerts kam das französische Liedgut dann mehr zum Zug. Das ganze Programm von Ute Lemper beinhaltete jedoch einen Zeitspiegel über das ganze Europa, ja bis nach Übersee. Literarisch und musikalisch geprägt wurden die Ereignisse der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts allerdings vor allem in den Cabarets und Clubs von Paris. Dieses Genre kam bei Ute Lemper wunderbar zum Tragen. Sie wurde denn auch bestens unterstützt von ihrer wundervollen Band (Violine, Bass, Klavier und Bandoneon), wobei die Soli der einzelnen Instrumente sehr bemerkenswert sind. Vor allem die Klaviereinlagen bestachen – Klavierjazz erster Güte.

Auch wenn die Kirche Saanen mit ihren Geistern der Vergangenheit inspirierend wirkt, so war sie für diesen Abend nicht geeignet. Vom Cabaret, das wie die Chansons ebenfalls zu Ute Lempers Auftritt gehörte, bekamen sehr viele Zuschauer nichts mit, da in weiten Teilen der Kirche der Blick auf die Bühne nicht gewährleistet ist. Bei einem solch langen, intensiven Konzertanlass mag dieser Umstand etwas an der Konzentration nagen. Trotzdem: Der Abend war ganz toll und hinterliess nachdenklich schöne Gefühle.


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