Der Maler und die Grande Dame

  28.01.2020 Business, Gstaad, Tourismus, Gewerbe, Wirtschaft, Hotellerie / Gastronomie

Alexander Egloff ist seit über 20 Jahren als Maler vom Palace bekannt. Während eines Besuchs gibt er Einblicke in sein Leben und seine Arbeit im berühmten Fünfsternehaus, welches er wie seine Hosentasche kennt und als sein zweites Zuhause betrachtet, und was er davon denkt.

MARTIN GURTNER-DUPERREX
«Er macht seine Arbeit ausgezeichnet und kennt das Hotel bis in den hintersten Winkel», schwärmt der Inhaber und General Manager des Gstaad Palace Andrea Scherz. Man müsse nicht lange erklären, was, wie und wo es etwas zu tun gebe – er gehe hin und mache es ohne lange zu fackeln. Die Rede ist von Alexander Egloff, dem Maler vom Palace, welcher seit mehr als 20 Jahren in den Zwischensaisons im Gstaad Palace innen und aussen die Malerarbeiten ausführt. An einem kühlen Novembermorgen habe ich den Vater zweier erwachsener Kinder im Hotel bei seiner Arbeit begleitet. Zuerst in verschiedenen Zimmern und Suiten, dann durch endlose, mit dicken Teppichen belegte Korridore sowie im Treppenhaus, im Personallift, wo Graffitis von übermütigen Angestellten die Wände schmücken, und schliesslich in einem goldig verchromten, rot tapezierten Luxuslift.

Aber immer schön der Reihe nach. Gemäss Andrea Scherz werden die Zimmer der Grande Dame – wie er sein über hundertjähriges Hotel liebevoll nennt – jeweils nach rund zwölf Jahren komplett renoviert. Letzten Herbst waren auf der Westseite alle Deluxe Junior Suites mit der Endziffer 09 auf sämtlichen sieben Stockwerken an der Reihe. Dort, in der Nummer 709, um genau zu sein, finde ich den Maler schliesslich nach längerem Herumirren bei der Arbeit.

In der «Glückspost»
Alex Egloff ist gerade daran, die Decke der im Rohbau befindlichen Suite neu mit Grundfarbe zu bestreichen. Es ist zügig und kalt, denn die neuen Fenster sind noch nicht eingesetzt. «Es wird hier von Null auf alles neu gemacht: Decken, Wände, Sanitär- und Elektroinstallationen, das Badezimmer ...», die Kälte scheint der guten Laune des 55-Jährigen überhaupt nichts anzuhaben. Wie ist er denn überhaupt nach Gstaad gekommen, damals? «Du Alex, das wär was für dich», habe ihm seine Mutter 1983 gesagt und ihm das Stellenangebot in der «Glückspost» für einen Maler im Saanenland gezeigt. Egloffs Mutter war als Pflegekind im Simmental aufgewachsen, später kam sie mit ihrem Mann und den drei Kindern wiederholt nach Zweisimmen in die Skiferien. Wohnhaft war die Familie in Embrach bei Zürich, wo Alex Egloff auch seine Malerlehre gemacht hatte. Nun ja, habe er sich gedacht, die Gegend kenne ich ja schon, ich probiers mal für ein Jahr. So kam es, dass der junge Mann ein paar Monate später seine Stelle bei besagter Firma antrat. Der Job gefiel ihm, er gründete eine Familie und ist in der Region mittlerweile richtig sesshaft geworden: «Mein Leben ist hier im Saanenland, ich mag es sehr.»

Mann für alle Fälle
Etwas später gehen wir wieder durch endlose Korridore, fahren mit dem berüchtigten Graffiti-Personallift. Die Malerarbeiten in der Suite 709 sind unterbrochen, weil ein Elektriker noch nicht ganz so weit ist mit seinen Installationen. «Die Koordination zwischen den einzelnen Handwerkern ist schon enorm wichtig», kommentiert Alex Egloff, nimmt jedoch den Verzug fröhlich und gelassen. Er will mir eine Deluxe Suite zeigen – Wasserschaden an der Decke, mit Karton abgedeckter Teppich und zur Seite geschobene Möbel. «Als Mann für alle Fälle kümmere ich mich auch um kleinere Problemli», sagt er lachend und klettert sogleich auf die Bockleiter, um die Stelle näher zu beäugen. «Das ist längst nicht alles», erzählt er mit einem Spachtel herumhantierend. Abnutzungen an Wänden, schadhafte Stellen an Möbeln, Bilderrahmen und Türen peppe er auf, immer wieder neu. In einer von denselben Gästen bewohnten Suite gelte es jeweils, Kratzspuren von einem Hund an der Wand zu vertuschen, verrät er hinter vorgehaltener Hand. Und beim Fototermin auf dem winzigen Balkon, unter uns gähnende Tiefe und Nebelschwaden: «Ja, natürlich bin ich auch für die Aussenarbeiten zuständig – hier zum Beispiel die herabblätternde Farbe.» Und schon ist er verschwunden, um Farbtopf und Pinsel zu holen.

Als wärs sein Eigentum
«Wenn du fertig bist, muss es glänzen und strahlen – arbeite so, als wäre das Hotel dein Eigentum», bläute ihm ganz zu Beginn sein Bauchef ein. Wir stehen mit Alex Egloff im Penthouse-Appartement, wo tatsächlich alles strahlt, ganz oben auf dem Dach. Übrigens stelle er fest, dass sich mit den Jahren der Stil der Zimmer verändert habe. «So wird heute zum Beispiel viel mehr mit Altholzbalken und Rustikputz gearbeitet als früher.»

Und wie ist er zu diesem Posten gekommen, der Maler vom Palace? «1996 wurde die Überbauung unter dem Palace realisiert. Familie Scherz suchte jemanden, der sich um Malerarbeiten im Hotel, den Residenzen und den Zimmern kümmert und fragten die Firma an, für welche ich arbeite.» Die Wahl sei auf ihn gefallen, erzählt er stolz – und seither ist er in den Zwischensaisons für das Fünfsternehaus tätig. «Dass ich meine Arbeit ziemlich unabhängig einteilen kann und mein eigener Chef bin, gefällt mir besonders gut», sagt er. Es sei nie langweilig, er habe immer etwas zu tun und kenne das Hotel inzwischen wie seine eigene Hosentasche. Negative Seiten? Gebe es nicht, beteuert er ohne jegliches Zögern.

Wie in den Ferien
Als Alex Egloff einmal gerade in einer Suite arbeitete, habe Ernst Scherz Senior vorbeigeschaut und zu ihm gesagt: «Schau nur das schöne Zimmer und das Panorama – du arbeitest hier ja, als wärst du in den Ferien!» Natürlich wäre es schön, hier Ferien zu machen, gibt Egloff unumwunden zu. «Klar, man muss in einem Zimmer arbeiten, das man sich niemals leisten kann», philosophiert er achselzuckend. Aber das mache ihm gar nichts aus, man gewöhne sich daran und man müsse nicht alles haben. «Ich bin froh, kann ich so schöne Arbeiten machen.» Und er arbeite auch sehr gut mit seinen Kollegen zusammen, dem Schreiner, Elektriker, Sanitärinstallateur oder den Jahresangestellten des Hotels wie die Portiers, die ihm jeweils aushälfen, wenn es nötig werde. «Denn die Arbeit muss termingerecht fertig werden – wenn das Hotel öffnet, muss alles für den Gast parat sein.»

Und im verchromten, rot tapezierten Lift, der uns lautlos zur Lobby hinunterbringt, gesteht auch der Maler vom Palace seine Liebe zur Grande Dame ein: «Es ist ein Superhotel, ich liebe diesen Ort und fühle ich mich hier wie daheim!»


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