Die Rütti-Garage schliesst im Herbst

  25.02.2020 Gstaad, Business, Volkswirtschaft, Gewerbe, Saanenland, Wirtschaft

43 Jahre haben Peter und Hansruedi Kübli die Rütti-Garage geführt. Im Herbst schliessen sich die Tore. Aufgrund der momentanen Vertragslosigkeit und den zu erwartenden hohen Auflagen von AMAG hat sich ein potenzieller Nachfolger zurückgezogen und eine andere Lösung hat sich nicht ergeben.

ANITA MOSER
72 Jahre war VW im Saanenland vertreten. «1948 hat unser Vater den ersten Vertrag mit VW abgeschlossen», erzählt Peter Kübli. Zusammen mit seinem Bruder Hansruedi hat er die Garage die letzten 43 Jahre geführt. In wenigen Monaten werden sich die Türen ihres Familienbetriebs definitiv schliessen. Grund dafür ist eine fehlende Nachfolge. Die Töchter von Peter und Marianne Kübli sowie der Sohn und die Tochter von Hansruedi und Silvia Kübli sind alle in anderen Branchen tätig. Ein betriebsinterner potenzieller Interessent hat sich kurz vor Vertragsabschluss zurückgezogen – aus nachvollziehbaren Gründen.

AMAG hat die Verträge gekündigt
Es ist unter anderem die AMAG, die ihren Vertragspartnern das Leben, das Überleben schwer macht. «Die AMAG hat im April 2018 schweizweit sämtliche Verträge gekündigt, weil sie nicht mehr den heutigen Gegebenheiten entsprechen», erklärt Peter Kübli. Die Kündigungsfrist beträgt zwei Jahre. Das heisst, der Nutzfahrzeugvertrag läuft im Oktober 2020 aus, der Vertrag für Personenwagen bereits im April. Bis heute haben die Garagisten noch keinen neuen Vertrag. «Grundsätzlich kennen wir den Vertragsinhalt, jedoch nicht im Detail», so Peter Kübli. «Für uns massgebend ist beispielsweise, wie viele Lizenzen noch hinzukommen.» Die Lizenzkosten für die IT beliefen sich schon jetzt auf jährlich 30’000 Franken. «Für einen Betrieb in unserer Grösse sind diese Kosten irgendwann nicht mehr zu stemmen.»

Zum VW-Personenwagen-Vertrag neu dazu komme die Elektrifizierung. «Die recht hohen Auflagen wären erfüllbar», betont Peter Kübli. «Aber man muss als Betrieb auch hinter der Elektrifizierung stehen können.» VW habe zwar ein paar gute Fahrzeuge im Angebot, «aber kein geeignetes Nutzfahrzeug für unser Gebiet», erklärt Kübli seine Skepsis gegenüber der Technologie. Eine weitere (zu) hohe Hürde in den Verträgen ist ein vorgeschriebenes bauliches Kriterium. «Für die Nutzfahrzeuge ist eine Werkstattraumhöhe von 4,8 Metern Bedingung, im Minimum 4,56 Meter. Unsere Werkstatt hat eine Höhe von 4,15 Metern. Eine bauliche Anpassung ist nicht möglich.»

Auch soll der Verkauf von Neuwagen nur noch von grossen Händlern abgewickelt werden. Bis anhin hat die AMAG diesbezüglich eine Differenzierung gemacht. «Der Händler musste alle Verkaufsbedingungen einhalten – die Grösse des Ausstellungsraumes usw. Der Vertriebspartner hingegen war einem Händler angeschlossen. «Wir waren Vertriebspartner einer Garage in Frutigen», erklärt Peter Kübli. Diese Kategorie streicht die AMAG. Neu gibt es nur noch Händler. «Wer das eingeht, muss weit über 100 Autos verkaufen und über einen grossen Ausstellungsraum verfügen.»

All diese Gründe haben mit dazu geführt, dass sich der potenzielle Nachfolger zurückgezogen hat.

15 Mitarbeitende sind betroffen
Man habe auch andere Lösungen – zum Beispiel in Form eines Filialbetriebes – gesucht, betont Hansruedi Kübli. «Wir haben mit mehreren Garagen das Gespräch gesucht, ohne Erfolg.» So hätten sie sich letztlich dazu durchgerungen, den Garagenbetrieb im Herbst 2020 aufzugeben – wenn auch schwerzen Herzens. Betroffen von der Schliessung sind 15 Mitarbeitende. «Wir haben sie bereits am 1. November 2019 informiert, damit sie genügend Zeit haben, sich Gedanken über ihre Zukunft zu machen», sagt Peter Kübli. Er ist zuversichtlich, dass sich immerhin die Stellensuche nicht allzu schwierig gestaltet. «Fachkräfte sind gesucht.»

Die vierte Garage
«Wir sind die vierte Garage in der Region, die aufgibt», sagt Hansruedi Kübli. «Von den drei anderen spricht man schon gar nicht mehr. Es gibt kaum jemanden, der sie noch aufzählen kann», ergänzt er etwas resigniert. «Es ist ein Umgewöhnen. Auch von anderen Läden, die schliessen mussten, spricht man kaum mehr. Das Leben geht weiter.»

Und wie geht das Leben der beiden Brüder weiter? Während Peter Kübli pensioniert ist und sich bereits etwas aus dem Berufsleben zurückgezogen hat, trifft es seinen Bruder Hansruedi wenige Jahre vor dem Pensionsalter doppelt hart. «Ich habs noch gar nicht im Griff», gibt er offen zu. «Im Moment ist das Geschäft noch aktuell, all die Telefonate, all die Kundengespräche … »

1500 Briefe verschickt
In den vergangenen Tagen sind 1500 Briefe verschickt worden. «Wir haben rund 1000 Stammkunden, im Winter kommen noch Chaletgäste hinzu. Der Rest ist Laufkundschaft», erklärt Peter Kübli. Viele Kunden lassen die Sommer- respektive Winterpneus in der Garage lagern. «Es sind rund 1000 Räder», erklärt Hansruedi Kübli. «Wir werden diesen Kunden leider mitteilen müssen, dass wir ihnen ihre Räder nach dem Radwechsel in den Kofferraum legen.» Den Kunden einen Rat zu geben, sei zum aktuellen Zeitpunkt schwierig. «Noch keine VW-Garage hat einen neuen Vertrag.» Peter Kübli geht davon aus, dass zahlreiche Kunden einen Markenwechsel zumindest ins Auge fassen. Gerade im Nutzfahrzeugsegment. «Das sind jene Kunden, welche ihr Auto für die Arbeit brauchen. Sie sind auf eine Garage in unmittelbarer Nähe angewiesen.»

Selbstbedienungs-Tankstelle bleibt
Die Räumlichkeiten sollen anderweitig vermietet werden. Die Gerüchteküche brodelt schon länger, auch Namen von potenziellen Neumietern werden herumgereicht. Es gebe zwei Interessenten, sagen Peter und Hansruedi Kübli. Über die Namen habe man Stillschweigen vereinbart bis zur Vertragsunterzeichnung. Nur so viel ist ihnen zu entlocken: «Beide Verhandlungspartner sind weder vom Autogewerbe noch aus der Modebranche.» Und beide hätten kein Interesse, die Waschanlage weiterzubetreiben. «Was offen bleibt, ist die Tankstelle – als reine Selbstbedienungstankstelle», sagt Hansruedi Kübli. Der Parkplatz auf der gegenüberliegenden Strassenseite gehört der Gemeinde. Diese habe den Mietvertrag gekündigt. «Das Grundstück wird für die Schulhauserweiterung gebraucht», erklärt Hansruedi Kübli.


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