Das Gastgewerbe ist enttäuscht

  21.04.2020 Coronavirus, Politik, Tourismus, Wirtschaft

Der Bundesrat hat am 16. April sein Konzept für den schrittweisen Ausstieg aus dem Corona-Lockdown bekannt gegeben. Nicht geäussert hat er sich zum Zeitpunkt der Wiedereröffnung der Gastrobetriebe. Die Branche reagiert enttäuscht. Ebenfalls enttäuscht, aber nicht unbedingt überrascht, reagieren hiesige Gastrobetreiber.

ANITA MOSER
Die Branche bleibt weiterhin im Ungewissen. Der Branchenverband Gastro-Suisse zeigte sich in einer ersten Reaktion sehr enttäuscht. Es sei unverständlich, dass der Bundesrat der Gastronomie noch keine Perspektive gebe, nachdem viele andere Gewerbeunternehmen nun auf den Weg zurück zum Normalzustand gehen könnten. «Wir haben immer betont, dass es die Aufgabe des Bundesrates ist, den Zeitpunkt der Wiedereröffnung zu bestimmen», wird GastroSuisse-Präsident Casimir Platzer in einer Mitteilung zitiert. «Mit der Nicht-Kommunikation lässt uns der Bundesrat jedoch völlig im Ungewissen und ohne Perspektive», kritisiert er die bundesrätliche Kommunikation.

Die Gesundheit der Bevölkerung sei auch dem Gastgewerbe ein zentrales Anliegen. «Unseres Erachtens wäre eine Lockerung des gastgewerblichen Stillstands unter Einhaltung strenger Schutzmassnahmen durchaus realistisch», so Platzer. «Unser Vorschlag, den wir dem Bundesrat vorgelegt haben, sieht beispielsweise vor, dass wir die Anzahl Gäste pro Quadratmeter limitieren. Zudem braucht es einen Mindestabstand zwischen den Tischen und eine Schutzmaskenpflicht mindestens hinter den Kulissen. Im Service sollen nur dann Masken getragen werden, wenn die Distanzregeln nicht eingehalten werden können. Alternativ kann man an der Theke oder an einem Beistelltisch servieren.»

GastroSuisse fordere den Bundesrat deshalb eindringlich auf, in enger Zusammenarbeit mit der Branche eine rasche Rückkehr in den Betrieb auch für das Gastgewerbe in Betracht zu ziehen. Platzer befürchtet: «Wenn der Bundesrat die Öffnung der gastgewerblichen Betriebe weiter hinauszögert, müssen wir damit rechnen, dass eine sehr hohe Zahl von Betrieben endgültig geschlossen bleiben und Konkurs anmelden müssen.»

«Wir hätten das auch im Griff»
Ebenfalls enttäuscht, aber nicht unbedingt überrascht, reagieren hiesige Gastrobetreiber. Thomas Frei vom Bernerhof in Gstaad lacht schallend auf die Frage, was er zum Bundesratsentscheid sage: «Was soll ich sagen? Es gibt nichts zu sagen.» Irgendwie verstehe er den Entscheid. «Aber andererseits finde ich, wir Restaurateure könnten die Hygiene- und Abstandsmassnahmen einhalten wie alle anderen. Wir hätten das auch im Griff.» Aber alles Zetern nütze ja nichts. «Ich akzeptiere den Entscheid. Es ist, wie es ist, aber es wird – je länger der Lockdown dauert – nicht einfacher für die Hotellerie, die Restaurationsbetriebe und für den Tourismus allgemein.» Er hätte geplant, seinen Betrieb am 21. Mai, an Auffahrt, zu öffnen. «Vielleicht mache ich trotzdem auf. Hotels dürfen ja offen haben und die Hotelgäste können wir verpflegen.» Eine leise Hoffnung bestehe, dass der Lockdown für die Gastrobranche doch schön früher aufgehoben werde, je nachdem, wie sich die Zahlen in den nächsten Wochen entwickelten. Werweissen und alles hinterfragen nütze nun aber nichts, sagt Frei und ergänzt frei heraus: «Es ist eine Scheisszeit. Punkt.»

Das Gastgewerbe müsse natürlich auch seinen Beitrag leisten. «Ich habe das Gefühl, wir können den Abstand einhalten.» Zum Beispiel indem nicht alle Plätze besetzt würden. «Familien und Personen, die im gleichen Haushalt leben, kann man an einen Tisch setzen, die anderen an Einzeltische», sinniert Frei. Nun gelte es für die Branche, Überzeugungsarbeit zu leisten und mit Schutzkonzepten zu beweisen, dass die Branche gerüstet sei.

«Ich habe nichts anderes erwartet»
Er habe nichts anderes erwartet, gehofft schon, sagt Thomas Addor vom Hotel-Restaurant Wildhorn in Lauenen. Er habe seit Beginn der Corona-Krise alles verfolgt, habe praktisch alle Pressekonferenzen geschaut und gespürt, worauf es hinauslaufe. Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga und Bundesrat Alain Berset hätten ja offen zugegeben, dass sie keine Lust verspürten, in ein Restaurant zu sitzen mit zwei Metern Abstand. «Was mich und die ganze Branche enttäuscht, ist, dass wir keine Perspektive haben.» Dem Bundesrat habe der Mut gefehlt, ein Datum festzulegen – ob der 20. Mai, der 8. Juni oder halt Ende Juni. «Die Regierungen in unseren Nachbarländern Deutschland und Österreich haben Termine bekannt gegeben.» Bis jetzt habe der Bundesrat die Krise gut gemeistert, aber im Vergleich zu den anderen Ländern sei der Fahrplan des Bundesrates für den Ausstieg aus dem Lockdown zu wenig präzise. «Typisch schweizerisch halt», so Addor. «Sie wollen die Türe in beide Richtungen offenlassen. Es ist ja durchaus möglich, dass die Gastrobranche früher öffnen kann.» Der Branche bleibe nichts anderes übrig, als nach vorne zu schauen. Ein Schutzkonzept sei ja Bedingung für die Wiedereröffnung. «Nun gibt es nichts anderes, als Konzepte auszuarbeiten.» Eigentlich habe GastroSuisse bereits Konzepte eingegeben. «Aber wie es vonseiten der Behörden tönt, müssen diese nachgebessert werden.» Addor ist überzeugt, dass sich die Distanz- und Hygienemassnahmen in der Branche umsetzen liessen. «Es liegt ja in der Verantwortung des Arbeitgebers, für die Gesundheit der Mitarbeitenden und Kunden zu sorgen», betont der Gastronom. «Wir machen das, was man von uns verlangt.»

Anfragen bewusst abgelehnt
Ganz ohne Gäste ist Addor nicht. «Wir beherbergen Arbeiter und haben so trotzdem etwas Umsatz», sagt der Hotelier. Anfragen von Gästen, die ein Wochenende – auch über Ostern – im Wildhorn buchen wollten, hätten sie bewusst abgelehnt. «Es macht keinen Sinn, Gäste zu beherbergen, wenn der Bundesrat empfiehlt, zu Hause zu bleiben.» Dauere der Lockdown jedoch noch länger – über den Mai, Juni hinaus – «werden wir unsere Strategie eventuell ändern und im Hotel ausschöpfen, was möglich ist». Langweilig sei ihm nicht, er bekoche die Woche über die Arbeiter. Aber für die Mitarbeitenden – sie sind in Kurzarbeit – sei die Zeit nicht angenehm. «Sie können nicht in die Ferien, sollten zu Hause bleiben, würden gerne arbeiten. Aber ich kann sie nicht beschäftigen.»

«Wir haben ein Konzept in der Schublade»
«Sie haben ja nichts gesagt», lacht Bruno Kernen vom Hotel Kernen in Schönried auf die Frage nach seiner Reaktion auf den Bundesratsentscheid. «Sie haben die Gastronomie grosszügig ausgelassen.» Er gehe davon aus, dass sich die Behörde gegenwärtig nichts verbauen wolle und abwarte, in welche Richtung sich die Zahlen nach der ersten Phase entwickelten und wie sich das angekündigte Monitoring auswirke. «Deshalb gehe ich davon aus, dass man spätestens am 8. Juni – vielleicht schon am 11. Mai – etwas von ihnen hören wird.» Eigentlich habe er nichts anderes erwartet. «Ich wäre überrascht gewesen, hätte der Bundesrat einen für unsere Branche positiven Entscheid kommuniziert.» Auch wenn sich die Branche zurzeit im luftleeren Raum befindet und er seinen Betrieb geschlossen hat und auch keine Hotelgäste beherbergt, ist der Hotelier und Gastwirt aus Schönried nicht untätig. «Wir haben ein Konzept in der Schublade und werden es diese Woche umsetzen», sagt er. Social Distancing werde mit weniger Sitzplätzen möglich sein. «Wir rücken kleinere Tische zu grösseren zusammen. An diese dürfen sich nur eine limitierte Anzahl Personen setzen oder Familien, Personen, die im gleichen Haushalt leben.» Und voraussichtlich Anfang Mai wird das Hotel Kernen wie viele andere Gastrobetriebe in der Region Take-away anbieten. «Wenn wir öffnen, dann nur auf einem möglichst sicheren Niveau.» Und gänzlich auf Masken verzichten könne die Branche wohl nicht. «Wir sind daran, Masken selber zu produzieren – solche, die man waschen kann. Meine Mitarbeiterinnen tüfteln …», erklärt Kernen und gibt abschliessend zu bedenken: «Wenn es losgeht, geht es nicht von null auf hundert …»


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