Wachsendes Interesse an Bikerouten – Schwierigkeiten werden nicht weniger

  03.09.2021 Saanenland, Volkswirtschaft, Saanenland, Event, Wirtschaft

Der diesjährige Wirtschaftsbrunch der Volkswirtschaft Berner Oberland setzte sich mit dem Thema «Bikesport in der Tourismusdestination» auseinander.

JENNY STERCHI
Mountainbiker bewegen sich derzeit in einer nicht genau definierten Gesetzeslage. Wie in jüngster Vergangenheit bereits erklärt (diese Zeitung berichtete), wird der Mountainbiker im Moment den bestehenden Kategorien im Langsamverkehr nicht zugeordnet. Es gibt Velofahrer und Fussgänger. Mountainbiker hingegen sind derzeit gesetzlich inexistent.

Dieser Umstand wurde am Wirtschaftsbrunch in Saanenmöser, zu dem die Volkswirtschaft Berner Oberland bereits traditionell einmal im Jahr einlädt, ebenso thematisiert wie die vielen anderen Bausteine, die es für funktionierende Bikerouten im Berner Oberland braucht. Dass es Bikerouten auch zukünftig brauchen wird, darüber waren sich die meisten an diesem Morgen einig.

Unermüdlich
Hans-Ulrich Zwahlen wusste, wovon er sprach, als er den langwierigen Entstehungsprozess der Trägerschaft Gantrisch Biking erläuterte. Er, der seit 27 Jahren Teil und Präsident dieser Trägerschaft ist, verfolgt die Mountainbikeszene und ihre Positionierung im gesellschaftlichen Zusammenhang schon lange. Als Mitinitiant von BE Bike, einer in diesem Jahr gegründeten Interessengemeinschaft Mountainbike Kanton Bern, ist er bestrebt, den Bike-Begeisterten im Kanton Bern die langersehnte Plattform zu schaffen.

Was vor 26 Jahren mit einer Bike Station und dem Gurnigel Berghaus mit je 12 Mietbikes begann, ist heute eine sehr gut erschlossene Bikeregion mit bestens unterhaltener Infrastruktur und einem breit gefächerten Angebot, das sich sowohl an Bike-Profis als auch an Anfänger richtet. Das Konzept, das Unterhalt und Finanzierung sicherstellte, wurde zu Beginn erarbeitet und mündete in der Trägerschaft Gantrisch Biking als Beispiel für ein gemeinschaftlich bearbeitetes Projekt. «Es war und ist nicht immer nur einfach und lustig», versicherte Hans-Ulrich Zwahlen. Und dennoch gilt Gantrisch Biking heute als Vorzeigeregion, an der sich andere Destinationen beim Ausbau ihres Bikeangebotes gern orientieren.

Vom Individualisten zum Teamplayer
«Jeder schaut für sich», so umriss Zwahlen, der selbst aktiver Biker und auch «Gümmeler» ist, die bis jetzt andauernde Situation. Viele Interessengruppen und Institutionen nehmen den Biker und seine wachsende Fangemeinde wahr, verteidigen jedoch ihre Zielgruppen und Interessen. Der Verein Berner Wanderwege, das Tiefbauamt, das kantonale Jagdinspektorat, das Amt für Umwelt, der Verein Pro Natura und regionale Bike-Vereine und Veloclubs vertreten ihre Interessen ebenso wie die Wirtschaft und das Gewerbe im Kanton Bern sowie Grundeigentümer und Bewirtschafter. Das Potenzial für die konstruktive Zusammenarbeit sei noch nicht ganz ausgeschöpft.

Aber auch der Biker sei in der Pflicht. Er müsse zum Austausch bereit sein. Zerfahrene Wanderwege seien nicht unbedingt fördernd für eine gut funktionierende Zusammenarbeit.

Gegenwind durch Unwissen
Während Wanderwege Schweiz sein gut ausgebautes Streckennetz verteidigt, schöpfe das kantonale Tiefbauamt die vom Bund (ASTRA) ausgegebenen Handlungsspielräume bei weitem nicht aus. Und so bearbeite jede Institution ausschliesslich ihre eigenen Interessen begründet auf der Verantwortung gegenüber ihren Mitgliedern. Für Tourismusdestinationen, zu denen das Saanenland gehört, sei die Mitarbeit bei der Entwicklung der Bikerouten der Tourismusvereine unverzichtbar.

Essenz aus Zwahlens umfangreichen Ausführungen war die Notwendigkeit der Zusammenarbeit und des Austausches zwischen allen involvierten Interessengruppen. Und so verspricht er sich von der Gründung von BE Bike, der kantonalen Interessengemeinschaft, einen fruchtbaren Austausch mit Behörden und Ämtern. Das erklärte Ziel von BE Bike, bis Frühling 2022 10’000 Mitglieder zu gewinnen, scheint ambitioniert. Doch darin liegt die Möglichkeit, als gleichwertiger Partner mit den oben genannten Institutionen auf Augenhöhe verhandeln zu können.

Lenk reagiert
«Dass die Mountainbikeszene wächst, ist nicht zu übersehen», bestätigte Albert Kruker, Direktor von Lenk-Simmental Tourismus AG. Als zweiter Referent dieses Morgens schilderte er seine Wahrnehmungen in jüngster Vergangenheit. Er beobachte weniger Differenzen zwischen Bikern und Wanderern, verglichen mit der Problematik zwischen Mutterkuhhaltung und Wanderern. «Den Biker» gebe es nicht in der Region. Vielmehr seien es zum Beispiel Familien, die mit ihren Kindern erste Bikeerlebnisse haben möchten. Das Bikeangebot würde von den Gästen als Erweiterung erwartet und der Wunsch zum Biken bestehe durchgehend. «Entweder hat der Gast jeder Generation ein gutes Bikeerlebnis und kommt dadurch wieder», erklärte Kruker. «Wenn das Angebot nicht vorhanden ist, wird der Gast vermutlich nicht zurückkehren.» Zu viele andere Destinationen hätten das Bikeangebot bereits integriert.

Für Kruker ist die Koexistenz von Wandern und Biken existenziell in der gesamten Bikeproblematik. Während es für das Anlegen neuer Bikerouten Baubewilligungen braucht, ist dies bei den bestehenden Wanderwegen nicht der Fall. «Es liegt absolut im Interesse vermutlich jeder Tourismusdestination, dass die Bedürfnisse sowohl der Gäste als auch der Einheimischen Beachtung finden müssen.» Die Zusammenarbeit mit Landeigentümern und Gemeinden berge für alle Beteiligten Vorteile, die vorderhand nicht sofort gesehen werden. Wichtig sei es zu beachten, dass es ein Prozess sei, Bikerouten einzurichten. «Andere haben dieses Angebot über 20 Jahre bearbeitet», gab Kruker zu bedenken.

In den anschliessenden Diskussionen unter den Gästen des Wirtschaftsbrunches wurde deutlich, dass es der Wunsch vieler ist, mit klarer Kommunikation und gegenseitigem Verständnis diesem wachsenden Interesse am Bikesport produktiv zu begegnen.


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