Die Gstaad International Healthcare AG (GIH) stellte im Rahmen eines Informationsanlasses ihr Projekt der Bevölkerung vor und stellte sich anschliessend den Fragen aus dem Publikum. Unter den Anwesenden vermischten sich Pioniergeist und gesundheits‑ versorgerische Aufbruchstimmung mit einer Prise Skepsis.
KEREM S. MAURER
GIH-Verwaltungsratspräsidentin Barbara Herbert, CEO und Verwaltungsratsdelegierter Dr. Ralph Kray und Verwaltungsratsmitglied Walter Egger präsentierten einem zahlreich erschienenen Publikum am Dienstagabend ihre ersten Planungsergebnisse im Zusammenhang mit dem Gstaad Medical Campus. Nach einer rund einstündigen Vorstellung war klar, was auf den 7959 Quadratmetern der Parzelle Nummer 3423 in Saanen geplant ist (siehe Kasten). In der Fragerunde ging es hauptsächlich um die dazugehörende Gemeinschaftspraxis und was die einheimische Bevölkerung an Leistungen im Zusammenhang mit der Privatklinik erwarten darf. Von den klaren Vorstellungen, welche die GIH von ihrem Projekt hat, ist vieles noch nicht vertraglich geregelt, weil dafür die Voraussetzungen mit einem Ja an der Gemeindeversammlung vom 9. Juni erst geschaffen werden müssen.
Was haben die Einheimischen von der Privatklinik?
Hört man Ralph Kray und seinen Kollegen zu, sehr viel: Ein grosses Plus ist die geplante Gemeinschaftspraxis, die in Räumlichkeiten der Privatklinik geplant ist, aber von der Gemeinde Saanen organisiert wird. Diese Praxis soll in Zusammenarbeit mit der Klinik an 365 Tagen rund um die Uhr geöffnet sein und eine Erstversorgung gewährleisten. Im Normalfall werden die Patienten von den Ärzten der Gemeinschaftspraxis an die Privatklinik überwiesen und von dort an jene Orte weitergeleitet, wo sie eine entsprechende Behandlung bekommen. «Wir tun alles, damit die Grundversorger in Zweisimmen einen noch besseren Job machen können», erklärt Ralph Kray. Denn: Die bildgebenden Elemente der Radiologie sowie das Labor können und sollen von den Hausärzten der Gemeinschaftspraxis für die Diagnostik genutzt werden. Es ist wichtig zu wissen, dass die GIH keine Grundversorgung anbietet und keine schneidenden Operationen ausführt, da kein Operationssaal vorgesehen ist. Deshalb ist es wichtig, dass auch das Projekt der GSS AG realisiert wird.
Werden diese Leistungen von der Krankenkasse übernommen?
Es komme darauf an, mit welchen Leistungen die Privatklinik auf den Spitallisten aufgeführt werde, sagt Ralph Kray. Da nur gelistete Leistungen von den Krankenkassen übernommen werden. Der Kanton sei von sich aus auf die GIH zugekommen, damit sie auf die Spitallisten komme, so Kray weiter, «weil wir gute Leistungen auf Topniveau anbieten». Und er versprach, man wolle auf der Basis der Spitallisten Kassenverträge aushandeln, die eine «sehr gute kostenlose Dienstleistungssituation bieten». Ob dies auch für Hospitalisierungen gelte, müsse noch geklärt werden. Aber die Leistungen der Gemeinschaftspraxis werden von der Krankenkasse auf jeden Fall übernommen.
Woher kommt das Personal und wo soll dieses wohnen?
Bei dieser Frage führten die GIH-Verantwortlichen die Sogwirkung der renommierten amerikanischen Medizinuniversität an, mit der die GIH zusammenarbeiten will. Diese Sogwirkung, die auch von anderen Partnern wie zum Beispiel Siemens noch verstärkt werde, bestätigte ein im Saal anwesender junger Arzt, der sich durchaus vorstellen kann, in der Gemeinschaftspraxis in Saanen zu arbeiten. Ausserdem könne man auf ein weltweites Netz an Fachkräften zugreifen, betonte Kray, man sei nicht auf den Schweizer Fachkräftemarkt angewiesen. Was die Unterbringung der Mitarbeitenden betreffe, so habe man dafür eine gute Lösung, die im Zusammenhang mit dem Medical Campus erstellt werde, sagte Walter Egger. Und Verwaltungsratspräsidentin Barbara Herbert bekräftigte, die geregelte Unterbringung der Mitarbeitenden sei eine Voraussetzung der Investoren.
Wird die Parzelle im Baurecht abgegeben oder verkauft?
Ungünstigerweise steht im Wortlaut des Antrages des Gemeinderates für die Abstimmung vom 9. Juni «... die ganze ehemalige Spitalparzelle... zur Verfügung zu stellen (z.B. im Baurecht)...» Jemand aus dem Publikum forderte, dass das Baurecht klar definiert sein müsse. Gemeinderätin Petra Schläppi berichtigte, dass dieser Punkt gemeindeseitig noch nicht ausdiskutiert sei. Man habe noch nicht entschieden, in welcher Form die Parzelle abgegeben werde. Für die GIH wäre es nach eigenen Angaben wünschenswert, wenn die Parzelle im Baurecht abgegeben würde. Aber auch dies sei ein Punkt, der erst nach einer Zustimmung am 9. Juni definitiv geklärt werde.
Wie sieht das Fazit der Infoveranstaltung aus?
Am Ende der Veranstaltung häuften sich jene Voten, die sich für ein erstes Ja an der Gemeindeversammlung für die GIH AG stark machten. Vor hundert Jahren hätte im Saanenland ein starker Pioniergeist geherrscht, der den Tourismus vorangebracht hätte, meinte eine Votantin. Auch wenn es hier nicht um ein Pionierprojekt gehe, so sei es zumindest ein Leuchtturmprojekt. Und sie fragte: «Was haben wir denn zu verlieren, ausser, dass wir ein Gelände im Baurecht an die GIH AG abtreten? Nichts. Aber wir kriegen etwas dafür! Vielleicht kein Bett in einer Privatklinik, aber das brauche ich auch nicht. Aber um so mehr die Chance, mithilfe der GIH Ärzte ins Saanenland zu holen, die uns untersuchen können und die mir eine Fahrt nach Thun ersparen!» Für ihr engagiertes Votum gab es spontanen Applaus. Tatsächlich geht es am 9. Juni nur um die Parzelle, auf der die GIH AG ihre Klinik bauen will und dass die weiteren Schritte eingeleitet werden können (siehe Kasten).
NÄCHSTE SCHRITTE BEI EINEM JA AM 9. JUNI:
– Information an Investoren und Partner
– Weiterführung der Verhandlungen mit Investoren und Partnern
– Verhandlungen mit der Gemeinde betreffend Land
– Einleitung des Planungsverfahrens
– Vorbereitung der notwendigen Gemeindeversammlung
– Baubeginn ist geplant für 2025 (Verfahrensabhängig)
WAS PLANT DIE GIH AG?
Die Gstaad International Healthcare AG will eine kleine, hochmoderne Privatklinik auf medizinischem Topniveau in Saanen errichten. Erstmals sollen Diagnostik, Behandlung und Rehabilitation unter einem Dach vereint werden. Darin integriert soll es – neben einer patientenorientierten Fünfsterne-Hotellerie für die Privatpatienten – für die lokale Bevölkerung eine Gemeinschaftspraxis geben. Auch allgemeinversicherte Patienten können von gewissen Bereichen des Angebotes der Privatklinik profitieren. Und dies während 24 Stunden, an 365 Tagen im Jahr.
KEREM S. MAURER