Mit gutem Gewissen Gstaad geniessen

  21.11.2022 Tourismus, Tourismus, Destination, Hotellerie / Gastronomie

Gstaad Saanenland Tourismus will mehr machen: Unter dem Slogan «Gstaad nachhaltiger» will sie mit allen Leistungsträgern die Region in eine grünere Zukunft führen. Auch angesichts der Energiekrise, um Abhängigkeiten zu vermeiden. Und um den Gästen ein nachhaltiges Angebot zu bieten, wenn sie einen Beitrag leisten wollen. Dies war der Tenor am dritten Destinationsrat in Lauenen.

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«Die Zeit ist gekommen, in der wir ernsthaft reden müssen. Gewisse Belastungsgrenzen sind erreicht. Aber das Nachhaltigkeitsverständnis wächst und hat sogar auch Branchen erreicht wie den Finanzsektor», sagte Hansruedi Müller, Vorstandsmitglied von Gstaad Saanenland Tourismus (GST), am Donnerstagabend im Hotel Wildhorn in Lauenen. Der emeritierte Professor und Studienleiter CAS Tourismus und Digitalisierung an der Universität Bern sprach vor den 31 Leistungsträgern, die sich allesamt zum dritten Destinationsrat versammelt hatten (siehe Kasten). Sie wurden direkt von Müller angesprochen, die Zukunft selbst in die Hand zu nehmen: Jeder müsse einen Beitrag leisten, damit die Destination Gstaad in Zukunft noch nachhaltiger werde. Um gemeinsam dieses Ziel zu erreichen, hat GST die Vision «Gstaad nachhaltiger» ins Leben gerufen: «Die hohe Kunst und das ehrliche Bestreben, alpinen Genuss mit Nachhaltigkeit zu vereinen.»

Wer ist das Zugpferd?
Doch wer gibt den Takt vor? Den Lead übernehme GST, unterstützt durch eine Begleitgruppe, die in einem nächsten Schritt alle relevanten Themen aufnehme und die Rollen verteile, erläuterte Müller. «Die Gruppe muss sich kritisch mit den wichtigen Themen auseinandersetzen und eine gute Diskussionskultur pflegen.» Was feststehe, sei die Rolle des Tourismus: GST müsse die Optik der Gäste wahrnehmen und ihnen die Informationen liefern, die sie brauchen, wenn sie einen Beitrag zur Umwelt leisten wollen. Den Zugang zu diesen Informationen und die Möglichkeit zur Orientierung müssten gewährleistet sein. Als Beispiel nannte er die Buchungsplattform Booking.com. «Heute können Touristinnen und Touristen nach nachhaltigen Unterkünften suchen. Das Hotel Wildhorn ist beispielsweise aufgelistet», sagte Müller.

Wo gibt es Handlungsbedarf?
Schon seit Jahrzehnten werde nachhaltiges Schaffen und Wirken im Saanenland gelebt. Da seien die Land- und Alpwirtschaft, die Bräuche und Traditionen, die Bauweise mit Holz und die geschützten Ortskerne wie in Saanen, das Naturschutzgebiet Gelten-Iffigen in Lauenen, die gute Luft- und Wasserqualität oder der ausgebaute öffentliche Verkehr. Doch es gehe noch mehr, ist Müller überzeugt, beispielsweise im Bereich Solarenergie. Das Potenzial auf den vielen, noch ohne Photovoltaik bestückten Chaletdächern sei gross. Auch grosse Flächen würden sich gut anbieten. Auf der Leinwand zeigte er ein Foto von einem Supermarkt, der seine Parkfelder mit Solaranlagen überdecken liess. «In Saanenmöser gibt es einen grossen Parkplatz neben dem Bahnhof und den Bergbahnen. Wenn wir dort eine Solarabdeckung installieren würden, wäre das eine Botschaft», so Müller.

Damit die Destination allerdings auch nachhaltiger werde, brauche es viele Partner, die Eigeninitiative zeigten, sagte das Vorstandsmitglied. Dafür brauche es die richtigen Anreize. Einer könnte die verminderte Abhängigkeit von Stromproduzenten sein, falls das Saanenland seinen Strom selbst produzieren könnte. Angesichts der aktuellen Energiekrise sei die Investition in alternative Energien nicht nur aus umweltfreundlicher Sicht ein Gewinn.

Wo ist Vorsicht geboten?
«Tu Gutes und rede darüber» wie es so schön heisst. In diesem Fall sei jedoch grosse Vorsicht geboten, betonte Hansruedi Müller. «Wir müssen darüber diskutieren, wie stark wir mit diesem Slogan ‹Gstaad nachhaltiger› in der Öffentlichkeit auftreten wollen. Es ist ein Spiel mit dem Feuer.»

Ob Werbung für die «grüne» Region gemacht wird oder nicht, am Ende zählt für das GST-Vorstandsmitglied nur eines: «Mit Ernsthaftigkeit zur Enkeltauglichkeit, nur so schaffen wir es.» (Anm. d. Red.: Enkeltauglichkeit ist die Eigenart, die Enkelgeneration nicht zu belasten)

Der Herbst bleibt Thema
Neben der Nachhaltigkeit, die ein grosses Thema des Destinationsrats darstellte, sprach unter anderem auch Tourismusdirektor Flurin Riedi über die Gästebefragung vom vergangenen Sommer bis Herbst, die gemeinsam mit der Universität Bern durchgeführt wurde. Die umfangreiche Befragung habe viel Interessantes ergeben und habe auch den Kurs bestätigt, den man eingeschlagen habe, sagte Flurin. «Der Grossteil der Befragten gab an, dass sie in unserer Region zum Wandern und zum Entspannen und Geniessen anreisen würden.» Kritik gab es bei den Angeboten im Herbst, die nicht vollumfänglich angeboten wurden, beispielsweise der Betrieb der Bergbahnen. Dieser wurde auf Donnerstag bis Sonntag reduziert. Wie Matthias In-Albon, Geschäftsführer der Bergbahnen Destination Gstaad AG, angab, sei ein Sieben-Tage-Betrieb im Oktober finanziell nicht tragbar. Zudem sei im Oktober nur der Samstag gut besucht gewesen und dies oft von Einheimischen – an den anderen Tagen habe es wenige Passagiere gegeben. Am Ende gebe das Wetter die Spielregeln vor, denn nur bei schönem Wetter hätten sie gut besuchte Berge. «Eine Lösung wäre es, in dieser Zeit Angebote in tieferen Lagen anzubieten und auszubauen», so der Vorschlag von In-Albon. GST-Präsident Oliver Waser ist der gleichen Meinung: «Es muss ein Zusammenspiel aller Leistungsträger sein, um den Herbst zu stärken.»

So oder so: Die Destination war im Herbst wieder gut besucht, weshalb Gstaad Saanenland Tourismus diese Zeit noch mehr vermarkten möchte, wie Waser sagte. «Wir wollen einen Teil der Gelder, die wir für die Vermarktung des Sommers investieren, für den Herbst einsetzen.» Dies bedeute nicht, dass der Sommer nun weniger vermarktet werde oder dass bisher keine Werbung für den Herbst gemacht wurde, fügte Flurin Riedi hinzu. «Wir haben in der Destinationsstrategie eine klare Zielvorgabe und die beinhaltet auch die Stärkung der Herbstsaison. Wir wollen die Botschaft nach aussen tragen, dass die Destination bis Ende Oktober offen hat.»


DESTINATIONSRAT

Der Destinationsrat Gstaad wurde mit der Destinationsstrategie 2021 bis 2024 ins Leben gerufen. Der Destinationsrat Gstaad hat die Funktion eines «runden Tisches», der alle Destinationspartner zusammenführt. Zu den Partnern gehören alle Organisationen, Gemeinden und Dienstleister, welche die Destinationsstrategie unterzeichnet haben. Insgesamt 31 Parteien wohnen den Treffen jeweils bei. Der Destinationsrat hat sich zur Aufgabe gemacht, sich bei der Weiterentwicklung der Strategie der Destination einzubringen sowie deren Fortschritte und den optimalen Einsatz der personellen und finanziellen Mittel zu überprüfen.

BLANCA BURRI/JOCELYNE PAGE


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