«Weil es mir einfach grossen Spass macht»

  17.03.2022 Sport, Wintersport, Nachbarschaft, Zweisimmen

Die Leistungskurve des Biathleten Joscha Burkhalter, in Zweisimmen geboren und aufgewachsen, zeigt seit zwei Saisons nach oben. Im Interview berichtet er über sein Erlebnis «Olympia in Peking», den Weg dorthin und über das, was nach der Rennsaison für ihn kommt.

JENNY STERCHI

Wie haben Sie China und sein Volk erlebt? Hatten Sie überhaupt Kontakt zu Einheimischen?
Leider habe ich vom Land und vom Volk nicht viel mitbekommen. Seit der Ankunft am Flughafen wurden wir in der «Bubble» von der Aussenwelt abgeschottet, um das Risiko einer Covid-Ansteckung möglichst kleinzuhalten.

Oft war zu hören, dass die Schutzanzüge, die von den meisten Volunteers und sonst Beteiligten getragen wurden, eine Distanz schafften, die nicht überwunden werden konnte. War das auch Ihr Eindruck?
Dem kann ich so nicht zustimmen. Die Volunteers waren trotz Schutzanzügen, Masken und Brillen stets freundlich und winkten herzlich zur Begrüssung.

Wie haben Ihnen die Sportstätten, in Ihrem Fall die Biathlon-Arena, gefallen?
Das Stadion war fünf Schweizer Autominuten oder 20 chinesische Busminuten vom Olympic Village entfernt. Die topmoderne Anlage, welche auf etwa 1700 Metern über Meer liegt, hatte eine schöne Loipentopografie und gefiel mir sehr gut. Die Strecke glich einer BMX-Piste mit vielen Aufstiegen, Abfahrten und Kurven. Einzig der starke Wind und die langsamen Verhältnisse erschwerten die Bedingungen. Eine grosse Herausforderung war dabei auch die Höhenlage, bei der man sich das Rennen speziell gut einteilen musste, da man einfach weniger Sauerstoff zur Verfügung hat.

Fühlten Sie sich in irgendeiner Form überwacht?
Dass alles etwas anders werden würde, als wir es von Europa gewohnt sind, war mir von Anfang an bewusst. Speziell war sicher, dass es überall Kameras hatte und dass die Busse, in denen man sass, immer wieder fotografiert wurden.

Ich vermute, der Austausch unter den Athleten hat stattgefunden. Hat man sich vorwiegend über sportliche Inhalte verständigt oder wurde der Gesprächsrahmen auch mal weiter gefasst?
Da ich viele Sportler von früher kenne, zum Beispiel von den EYOF (Europäische Olympische Jugendspiele), der Sport-RS (Militärgrundausbildung) oder aus der Sportschule, hat man sich regelmässig und immer mal wieder erkundigt und natürlich auch mitgefiebert. Es gab aber auch genügend Möglichkeiten, sich mit Athleten anderer Nationen zu unterhalten. Beispielsweise auf Busfahrten, beim Anstehen am Buffet oder nach dem Pin-Tauschen. Dabei standen auch Inhalte ausserhalb des Sports im Zentrum.

Die Diskussionen zu der Vergabe der Olympischen Spiele an Peking war kontroverser und hitziger geführt worden als bei anderen Olympischen Spielen, nachweislich in Europa. Haben Sie jeweils Position bezogen oder haben Sie sich da eher rausgehalten?
Natürlich hätte ich die Olympischen Spiele auch lieber in einer typischen Wintersportnation gehabt. Aber da ich mich erst etwa drei Wochen vor Beginn der Spiele definitiv qualifiziert hatte, stand für mich vor allem die Teilnahme im Vordergrund und nicht der Ort der Durchführung.

Sie haben es gerade selbst angesprochen. Ihr Olympiaticket ergab sich relativ kurzfristig aus super Resultaten im Weltcup. Kam das «Go» für Sie unverhofft oder haben Sie damit gerechnet? Waren die Olympischen Spiele Ihr Saisonziel?
Bereits im Sommertraining habe ich immer wieder an dieses Ziel gedacht und auch daran geglaubt, dass eine Teilnahme möglich sein kann. An den schwedischen Meisterschaften ist mir bereits zum Saisonauftakt ein Exploit gelungen. Hätte ich dieses Resultat zwei Wochen später im Weltcup gebracht, wäre eine Qualifikation womöglich schon früher dringelegen. Dies gab mir die Zuversicht, dass ich es wirklich schaffen kann. Danach ging im ersten Weltcuprennen erst mal gar nichts bei mir. Ich verkrampfte mich wohl etwas zu stark oder wollte zu viel. Enttäuschung, Frustration und Ratlosigkeit machten sich breit, weil es weder in der Loipe noch am Schiessstand so richtig funktionieren wollte. Nach Weihnachten kam ich dann wieder besser in Form, es blieben aber immer weniger Rennen, um sich zu qualifizieren. In Oberhof war ich trotz zwei Schiessfehlern und einem Top-30-Platz noch knapp neben der halben Qualifikationsnorm vorbeigeschrammt und ärgerte mich über die verpasste Chance. Schon Tage vor dem Sprint in Ruhpolding waren die Nervosität und mein eigener Druck viel höher als sonst. Dass ich unter diesen Umständen im Wettkampf und vor allem am Schiessstand einen kühlen Kopf bewahren konnte und am Ende einen zehnten Platz erreichte, machte mich sehr stolz. Wirklich ganz realisiert habe ich es aber erst ein paar Tage später.

Während es für Sie im Einzel sehr gut ging, glückte die Verfolgung nach dem Sprint dann nicht. Woran lag es? Zu viel Energie im Einzel gelassen?
Bei meinem ersten Wettkampf, dem Einzellauf über 20 Kilometer, war es mit minus acht Grad Celsius noch relativ warm. Mit zwei Fehlern auf 20 Schüsse gelang mir ein guter Wettkampf und ich landete auf dem 22. Rang bei über 90 Startenden. Mit dem zweitbesten Karriereresultat bei meiner Olympiapremiere war ich sehr zufrieden. Leider verlief meine Leistungskurve aber proportional zu den sinkenden Temperaturen. Im Sprint erreichte ich mit zwei Fehlern auf zehn Schüsse immerhin noch den 45. Platz und damit qualifizierte ich mich für den Verfolgungswettkampf. Dieser startete aber denkbar schlecht. Es war so bitterkalt, dass mir das Atmen schwerfiel und die eingefrorenen Finger halfen auch nicht gerade für das Feingefühl am Abzug. Mehr als eine bittere Enttäuschung und unschöne Erfahrung blieb mir von diesem Rennen nicht. In der Staffel, die wegen den eisigen Temperaturen sogar vorverlegt werden musste, lief es mir nur bedingt besser. Wieder mit grossen Schwierigkeiten am Schiessstand und in der Loipe wurden wir mit dem Schweizer Team schliesslich Zwölfte.

Ich habe gelesen, dass Sie im Winter 2020 an der WM in Antholz beeindruckt waren von der gefüllten Zuschauertribüne. Und jetzt waren Sie zwei Winter lang vor leeren Rängen unterwegs. Hat das Einfluss auf Ihren Gemütszustand während des Rennens?
Das war schon sehr schade, denn die Zuschauer und die tolle Atmosphäre habe ich wirklich mega vermisst. Ein Weltcupwettkampf fühlte sich plötzlich an wie ein Schülerrennen, das war schon gewöhnungsbedürftig. Jetzt wieder vor vollen Rängen starten zu dürfen, schätze ich extrem und hoffe, dass es so bleibt.

Wie geht es nun weiter bei Ihnen? Wann ist die Saison offiziell beendet? Machen Sie dann Ferien oder trainieren Sie nahtlos weiter?
Das Weltcupfinale findet an diesem Wochenende in Oslo statt. Dann folgen eine Woche später die Schweizermeisterschaften im Langlauf zu Hause auf dem Sparenmoos, wo ich gerne auch noch laufen würde. Anfang April endet dann meine Wettkampfsaison mit der Schweizermeisterschaft im Biathlon in Realp. Danach liebe ich es jeweils, bei traumhaftem Frühlingswetter den Schnee noch zu nutzen, um ein paar Skitouren oder Firnskating-Trainings zu absolvieren. Dieses Jahr möchte ich eventuell Ende April wieder eine Woche nach Lillehammer gehen, um noch weiter auf den Langlaufski unterwegs zu sein. Im April trainiere ich jeweils nach Lust und Laune, weil es mir einfach grossen Spass macht, mich zu bewegen. Das Sommertraining geht dann jeweils am 1. Mai wieder los.

Sie leben derzeit in Lenz. Haben Sie den Wohnort nach Trainingsmöglichkeiten ausgewählt? Sind Sie neben dem Sport immer noch mit dem Studium beschäftigt?
Ja, ich habe eine Wohnung in Lenz, knapp drei Minuten zu Fuss zur Biathlon Arena. Um noch professioneller trainieren zu können, verbringe ich die meiste Zeit am Stützpunkt. Viele andere Teamkollegen trainieren auch dort, so können wir uns täglich herausfordern, was jeden von uns weiterbringt. Trotzdem liebe ich es immer wieder, nach Hause zu kommen und im Sparenmoos zu trainieren. Daneben studiere ich Wirtschaft an der FernUni Schweiz. Nach der bestandenen Matura wollte ich mich weiterbilden, damit ich nach meinem sportlichen Karriereende den direkten Einstieg in die Berufswelt schaffen kann. Ausserdem war es mir wichtig, mich nicht nur körperlich zu beschäftigen.


WER IST JOSCHA BURKHALTER?

Der Zweisimmner ist 25 Jahre alt, studiert neben dem Leistungssport Wirtschaft an der FernUni Schweiz und findet neben dem Skilanglauf auch das Biken sowie Ski- und Bergtouren spannend. Er stand schon auf den Gipfeln mehrerer Viertausender und findet es atemberaubend, die Welt von oben zu bestaunen. Er ist in einer sportbegeisterten Familie aufgewachsen, die ihn schliesslich zum Skilanglauf führte. Damals machte ihm bei Plauschwettkämpfen das Schiessen derart Spass, dass er mit 15 Jahren endgültig zum Biathlon wechselte. Die Kombination aus schnellem Laufen und der Ruhe und Konzentration am Schiessstand fasziniert ihn auch heute noch. Einen Sieg erlebt er nach eigenen Angaben intensiver als eine Niederlage. Er empfindet ihn wie eine Belohnung für harte Arbeit, die in der Vorbereitung der Rennen Verzicht und extreme Disziplin fordert.


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