Am 25. September kommt die Massentierhaltungsinitiative zur Abstimmung

  08.09.2022 Politik, Gesellschaft, Politik, Landwirtschaft, Wirtschaft

Der 25. September ist ein Abstimmungssonntag. Es kommen eine kantonale Vorlage und vier nationale Vorlagen zur Abstimmung. Mit der Massentierhaltungsinitiative stimmen wir einmal mehr über eine Landwirtschaftsinitiative ab.

ANITA MOSER
Die Massentierhaltungsinitiative will den Schutz der Würde von Nutztieren wie Rindern, Hühnern oder Schweinen in die Verfassung aufnehmen. Sie will die Massentierhaltung verbieten, weil dabei das Tierwohl systematisch verletzt werde. Wird die Initiative angenommen, muss der Bund strengere Mindestanforderungen für eine tierfreundliche Unterbringung und Pflege, den Zugang ins Freie, die Schlachtung und die maximale Gruppengrösse pro Stall festlegen. Grundsätzlich soll die Biohaltung von 2018 als Standard gelten. Die Anforderungen würden auch für den Import von Tieren und Tierprodukten wie auch von Lebensmitteln mit Zutaten tierischer Herkunft gelten.

Bundesrat und Parlament lehnen die Initiative ab. Die Schweiz habe eines der weltweit strengsten Gesetze zum Schutz der Tiere, argumentieren die Gegner der Vorlage. Nutztiere seien schon sehr gut geschützt und immer mehr Tiere würden besonders tierfreundlich gehalten. Die Preise für Lebensmittel wie Fleisch, Milch, Käse oder Eier würden wegen den höheren Anforderungen steigen respektive der Einkaufstourismus nähme zu.

Quelle: Abstimmungsunterlagen * Wenn Betriebe Hofdünger (Gülle und Mist) an andere Betriebe abgeben, kann der gesamt Tierbestand pro Hektare düngbare Fläche auch höher sein. Als Düngegrossvieheinheit (DGVE) gilt eine Kuh mit einem Gewicht von 600kg und einer Milchleistung von 6000kg. Die DGVE-Werte der anderen Nutztiere berechnen sich anhand der Menge Nährstoff, die sie ausscheiden. Beispielsweise entsprechen etwa 100 Legehennen einer DGVE.

Quelle: Abstimmungsunterlagen


ABSTIMMUNGEN VOM SONNTAG, 25. SEPTEMBER

Am Sonntag, 25. September kommen vier nationale Vorlagen zur Abstimmung: Die Massentierhaltungsinitiative (siehe Haupttext).
Die AHV-Reform: Sie sieht sowohl Einsparungen als auch Mehreinnahmen vor. Unter anderem soll das Rentenalter der Frauen schrittweise auf 65 Jahre erhöht werden. Diese Erhöhung soll mit Ausgleichsmassnahmen abgefedert werden. Mehreinnahmen soll die Erhöhung der Mehrwertsteuer bringen. Der reduzierte Steuersatz soll von 2,5 auf 2,6 Prozent erhöht werden, der Normalsatz von 7,7 auf 8,1 Prozent. Die Vorlage beinhaltet auch ein flexibles Rentenalter. Die AHV-Reform besteht aus zwei Vorlagen. Sie sind miteinander verknüpft, wenn eine der beiden abgelehnt wird, scheitert die ganze Reform.
In der vierten Vorlage geht es um die Änderung des Bundesgesetzes über die Verrechnungssteuer.

Stimmrechtsalter 16?
Im Kanton Bern kommt die Senkung des Stimmrechtsalters auf Kantonsund Gemeindeebene von 18 auf 16 Jahre zur Abstimmung. Das passive Wahlrecht (das Recht, sich beispielsweise in den Ständerat, in den Regierungsrat, in den Grossen Rat, in eine Gemeindeexekutive oder in ein Gemeindeparlament wählen zu lassen) soll jedoch weiterhin ab 18 Jahren gelten.

PD/ANITA MOSER

QUELLE: ABSTIMMUNGSUNTERLAGEN


«Mit dieser Initiative wird das Pferd am Schwanz aufgezäumt»

Mario Hählen, Präsident der SVP Saanen, legt ein Nein in die Urne.

ANITA MOSER

Mario Hählen, weshalb sind Sie gegen die Massentierhaltungsinitiative?
Die heutigen Tierschutzmassnahmen und Gesetze sind in der Schweiz schon sehr hoch. Bei einer Annahme der Initiative würden den Tierhaltern weitere Auflagen gemacht. Die Umsetzung der Massnahmen bedeutet für die Betriebe finanzielle Belastungen, die es für viele schwierig machen würden, ihre Betriebe weiterhin kostendeckend zu betreiben.

Laut Bundesrat wären nur rund fünf Prozent der Betriebe von der Initiative betroffen – nämlich die industriellen Grossbetriebe. Betriebe, die bereits heute das Tierwohl in der Produktion über rein wirtschaftliche Interessen stellen, würden durch die Initiative gestärkt, argumentieren die Befürworter.
Die meisten Betriebe produzieren nach dem heutigen Tierschutzgesetz, welches in Sachen Tierwohl weltweit seinesgleichen sucht. Die mit der Initiative geforderten Richtlinien von Bio Suisse aus dem Jahr 2018 verlangen mehr Platz pro Tier und fordern die obligatorische Teilnahme am RAUS-Programm. Für die betroffenen Landwirte kann das bedeuten, die Ställe zu vergrössern, mehrere kleine Ställe zu bauen oder die Tierbestände zu reduzieren.

Diese Auflagen führen zu einer Erhöhung der Produktionskosten.

Bis jetzt wurden das RAUS-Programm und andere Mehrleistungen zum Tierwohl mit Beiträgen gefördert, diese würden wegfallen, falls diese Zusatzleistungen für alle obligatorisch wären. Das heisst, verschiedene Tierwohllabels würden ihre Berechtigung verlieren.

Schweizer Bauernfamilien dürften gegenüber dem Ausland nicht benachteiligt werden. Deshalb brauche es Importregeln, die den neuen Standards Rechnung tragen. Wäre das nicht ein positives Signal?
Das tönt gut, ist aber in der Praxis nicht umsetzbar, da es laut dem Bundesrat eine Anpassung von Verträgen bräuchte. Ein Vergleich mit ausländischen Richtlinien zeigt, dass die Schweiz eines der strengsten Tierschutzgesetze hat. Da in der EU die Tierhaltung massiv weniger gewertet wird als bei uns, gibt es grosse Differenzen zu den Schweizer Bauernbetrieben. Bio im EU-Raum ist nicht gleich Bio in der Schweiz. Eine Kontrolle wäre praktisch unmöglich.

Welche Konsequenzen befürchten Sie bei einer Annahme der Initiative?
Die Lebensmittelproduktion in der Schweiz ist zu stärken. Bei der Annahme der Initiative würde die Produktion von inländischen Lebensmitteln massiv geschwächt. Die Preise würden in die Höhe schnellen, was den Einkaufstourismus fördern würde. Falls die hiesige Produktion sinkt, hat das auch negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt.

Mit dieser Initiative wird das Pferd am Schwanz aufgezäumt. Erst wenn auf dem Markt die Nachfrage nach Produkten, die nach Biorichtlinien produziert werden, steigt und die Konsumenten bereit sind, die Preise dafür zu bezahlen, dann können die Bauern ihre Produktion den veränderten Bedürfnissen anpassen – nicht umgekehrt.


«Wer heute schon regional einkauft, für den ändert sich nichts»

Die glp Schweiz setzt sich für die Initiative ein, ihr Mitglied, Michi Gehret, Vizepräsident der glp Obersimmental-Saanenland, relativiert.

ANITA MOSER

Michi Gehret, weshalb sind Sie für die Massentierhaltungsinitiative?
Diese Initiative braucht es eigentlich nicht, aber sie hilft, etwas zu unterscheiden und unterstützt damit unter anderem die Berglandwirtschaft. Da war der Gegenvorschlag des Bundesrates in der Vernehmlassung schlimmer, da er direkt gegen die Anbindeställe und somit gegen die Kleinbauern zielte.

Wir müssen immer den Unterschied vom Berg zum Acker machen! Ab 1000 m ü. M. ist die Viehwirtschaft nachhaltig, leidet aber unter dem schlechten Ruf des grünen Teppichs in Regionen, wo besser direkt Lebensmittel anstatt Futtermittel angepflanzt würden.

Die Schweizer Standards sollen auch für die Importregeln gelten. Wie soll das kontrolliert und durchgesetzt werden? Im Exportland wie in der Schweiz?
Der Import von billigem Fleisch wird wohl schwerer, auch wenn nicht alles kontrolliert werden kann. Die Deklaration muss vom Importeur kommen, das kann heute einfach erfolgen.

Entscheidend sei das Wohlergehen jedes einzelnen Tieres und nicht die Anzahl Tiere pro Betrieb, argumentieren die Gegner der Initiative unter anderem.
Unsere Mitglieder beim Hornlabel und alle Bauern hier in der Region haben kleine Herden, kennen ihre Tiere beim Namen und spüren, wenn es der Kuh schlecht geht. Das ist bei 100 Tieren nicht möglich.

Die Preise für Lebensmittel wie Fleisch, Milch, Käse oder Eier würden wegen der höheren Anforderungen steigen, mahnen die Gegner der Initiative. Dies würde insbesondere Konsumentinnen und Konsumenten mit geringem Einkommen treffen und der Einkaufstourismus nähme zu.
Was wären wir für eine Gesellschaft, wenn wir die Einkommensschwachen ungesund mit billiger Importware füttern würden? Jeder hat das Recht auf gesunde Nahrung.

Weniger Fleischkonsum, dafür aber in besserer Qualität, steigert die Lebensqualität und damit meist auch das Einkommen. Wer heute schon regional einkauft, für den ändert sich nichts, wir haben den besten Käse, das nachhaltigste Fleisch und feine Milch.


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