Viehzucht ist ihr Steckenpferd
08.06.2023 Landwirtschaft, Abländschen, Gewerbe, Volkswirtschaft, TraditionIm Abländschen haben alle drei Bauernfamilien einen oder sogar mehrere Nachfolger:innen, welche die Ausbildung zum Landwirt absolviert haben. Die jungen Bäuerinnen und Bauern möchten wenn möglich im Bergtal bleiben und versuchen, sich mit Zusatzverdiensten den ...
Im Abländschen haben alle drei Bauernfamilien einen oder sogar mehrere Nachfolger:innen, welche die Ausbildung zum Landwirt absolviert haben. Die jungen Bäuerinnen und Bauern möchten wenn möglich im Bergtal bleiben und versuchen, sich mit Zusatzverdiensten den Lebensunterhalt zu verdienen. Im Gespräch gab Daniela Bergmann Auskunft über ihre Berufswahl, über ihre Stärken und Schwächen als Frau in diesem Beruf und über ihr Hobby: die Leidenschaft für schöne Kühe.
VRENI MÜLLENER
Amtschau Saanen 2015 auf dem Tennisareal in Gstaad: Für Ferdinand Bergmann unerwartet wird seine Kuh Alaska zur Miss SF Amtschau 2015 gewählt. Die Journalistin will noch schnell ein Siegerbild erhaschen und schon steht die ganze Familie Bergmann bei ihrer Kuh – die Freude und Überraschung seien sehr gross gewesen, beschreibt Tochter Daniela heute das Erlebnis von damals.
Aufgewachsen in Abländschen
Ferdinand und Heidi Bergmann kamen als junges Paar in das abgelegene Bergtal und führen heute zusammen mit der Unterstützung ihrer vier Kinder einen 30 Hektar grossen Berglandwirtschaftsbetrieb. In ihren Ställen stehen 24 Milchkühe und deren vorwiegend weibliche Nachkommen der Rassen Swiss Fleckvieh und Braunvieh sowie eine stattliche Anzahl Saanen- und Pfauenziegen. Martin, Daniela, Toni und Andrea wurden schon als Kinder mit den anfallenden Arbeiten vertraut. Es war für sie selbstverständlich, den Eltern überall, wo es möglich war, behilflich zu sein. Schon früh begleiteten Bergmanns ihre Kinder als Jungzüchter mit schönen Rindern an die Juniorexpo nach Thun. Das Feuer für die Fortsetzung der Zucht von schönen Kühen – wie es Vater Ferdinand liebte – war gelegt.
Nicht nur die Söhne …
Daniela, die Zweitälteste, war es gewohnt, mehrheitlich mit männlichen Kollegen unterwegs zu sein: Schon ihre Schulzeit verbrachte sie nicht nur als einziges Mädchen in ihrer Klasse, sie war während Jahren in der Gesamtschule Abländschen die einzige Schülerin. Auf dem Schulweg und in den Pausen ging es burschikos zu und her, es wurde «gschuttet», Schneeballschlachten ausgefochten und wenn es wieder einmal Zeit dafür war, wurde – mehr oder weniger fair – geschwungen.
So verwundert es nicht, dass Daniela ihren ursprünglichen Berufswunsch, Gärtnerin zu werden, auf die Seite legte und es ihren zwei Brüdern gleichtat: Sie nahm die landwirtschaftliche Lehre in Angriff. In Fahrni bei Thun, in einem Dorf in der Nähe von Moudon und in der Garstatt im Obersimmental absolvierte die heute 22-Jährige die drei erforderlichen Lehrjahre und schloss diese mit dem eidgenössischen Fähigkeitszeugnis erfolgreich ab. Diese Ausbildung ist längst nicht mehr eine reine Männerdomäne. Am Inforama Hondrich schlossen zur gleichen Zeit sechs Frauen die Ausbildung ab. «Natürlich gibt es Arbeiten, bei denen es unpraktisch ist, dass ich körperlich weniger stark bin als ein Mann,» bestätigt die Junglandwirtin. Zum Beispiel vor der Klauenpflege habe sie grossen Respekt. Im Allgemeinen gebe es aber in der Landschaftsgärtnerei für eine Frau schwerere Arbeiten auszuführen als in einem gut eingerichteten Landwirtschaftsbetrieb. «Mich interessieren vor allem die Tierzucht und Tierpflege, das kann ich als Frau genauso gut wie meine Brüder.»
An Viehschauen mitzumachen oder solche zu besuchen, wurde zum grossen Hobby der Bauerntochter. Sie liebt es, Kühe für eine Ausstellung zurechtzumachen. Dabei muss sie sich ihren Platz gegen ihre beiden Brüder, die ebenfalls vom Viehzuchtvirus befallen sind, erkämpfen. 2022 kandidierte Daniela bei der Wahl zur Braunviehkönigin in Brunneck. Trotz der grossen Unterstützung ihrer Familie und ihrem Freundeskreis musste sie diesen Titel einer anderen Kanditatin überlassen. «Schweizer Fleckvieh ist mir aber genauso sympathisch wie das Braunvieh», betont die Besitzerin von zwei SF-Kühen. Dennoch stellte sie sich zwischen die braunen Calanda und Fenes beim Fototermin im Stall.
Berufswahl nie bereut
Nach der Lehre kam noch einmal die Überlegung auf, eine Zweitausbildung als Gärtnerin in Angriff zu nehmen. Nachdem diese Idee verworfen worden war, suchte sich die junge Abländscherin eine Anstellung auf einer Alp. Diese fand sie durch eine Kollegin und mithilfe der Plattform «zAlp» im Gental im Haslital.
Noch nie war in der modernen Alpkäserei eine Frau für die Verarbeitung der Milch der 120 braunen Kühe verantwortlich. Daniela absolvierte am Inforama Hondrich einen Käserkurs und nahm diese Herausforderung an. «Einzig bei der Käsepflege bin ich zu wenig stark, um drei Laibe miteinander hervorzunehmen, und auch zu klein, um die höher gelegten Käse herunterzunehmen.» Zusammen mit fünf Arbeitskolleginnen und -kollegen startet sie dieses Jahr mit Begeisterung in ihren dritten Alpsommer. Jede der sechs Personen hat ihre Aufgaben, für die sie verantwortlich ist. «Gegenwärtig stimmt es für mich – die Zeit ‹z Bärg› möchte ich nicht missen. Dazwischen kann ich mir auf verschiedene Arten den Lebensunterhalt verdienen, das ist interessant und lehrreich.»
Bis zur Bergfahrt Ende Mai arbeitete Daniela als Landschaftsgärtnerin. Im Service und in einem Sportgeschäft machte sie ebenfalls gute Erfahrungen. Zu ihrem Steckenpferd gehört die Mitarbeit im «Schärteam» Simmental. Diese Truppe reist mit den nötigen Utensilien zu den Landwirten und befreit das Rindvieh im Herbst innert kürzester Zeit von seinem dicken Pelz. Diese Dienstleistung ist sehr begehrt und erleichtert den Bauern die Stallarbeit, geschorene Tiere sind pflegeleichter und können besser sauber gehalten werden.
Der Alpsommer kann kommen
Seit Anfang Juni lebt die Sennerin wieder im engeren Oberland. Obwohl Daniela ein «Heimchuehli» ist, freut sie sich auf den Sommer in der Nähe des Engstlensees. Denn da wird sie ihren Freund aus der Innerschweiz fleissiger sehen. Dieser hat sich wie Daniela für den Sommer wieder bei der Alpgenossenschaft Gental anstellen lassen.
Für die Zukunft wünschen sich die beiden einen Bauernhof, den sie selbstständig bewirtschaften können. «Das ist gar nicht so einfach. Entweder sind Hof und Maschinenpark zu teuer oder wir müssten von der ersten Stunde an mit Renovieren beginnen», beschreibt die bodenständige Frau ihre gemachten Erfahrungen.