Wie viel teurer wird der Strom?

  19.09.2022 Politik, Gesellschaft, Politik, Gewerbe, Wirtschaft

Der Strompreis wird im kommenden Jahr steigen – im Durchschnitt um 27 Prozent. Die Preiserhöhungen variieren jedoch erheblich. Während die Tarife für die Stromkunden in Lauenen und Saanen nur moderat steigen, müssen die Gsteiger tiefer ins Portemonnaie greifen; diese profitierten in den vergangenen Jahren allerdings von günstigeren Preisen als die Nachbargemeinden.

ANITA MOSER
Im kommenden Jahr steigen die Strompreise zum Teil massiv. Gemäss Berechnungen der Eidgenössischen Elektrizitätskommission ElCom bezahlt ein typischer Haushalt mit einem Verbrauch von 4500kWh pro Jahr im kommenden Jahr 27 Rappen pro Kilowattstunde. Dies entspricht einer Zunahme von 5,8 Rp./kWh (+ 27 Prozent). Auf das Jahr gerechnet beläuft sich die Stromrechnung auf 1215 Franken oder 261 Franken mehr als 2022.

Die Preise variieren innerhalb der Schweiz zwischen den Netzbetreibern jedoch zum Teil erheblich, was vor allem auf grosse Unterschiede bei der Energiebeschaffung zurückzuführen sei, wie die ElCom in einer Medienmitteilung schreibt. Die tiefsten Tarife – 8,49Rp./kWh – bezahlt man im Walliser Dorf Gondo-Zwischbergen, die höchsten Tarife – 70,78Rp./kWh – fallen in der Gemeinde Worb an. Zumindest für jene Strombezüger, die der Licht- und Kraftgenossenschaft Richigen angeschlossen sind. In Saanen und Lauenen liegt der Tarif bei 25,5Rp./kWh, in Gsteig bei 30,76Rp./kWh.

Gründe für die Tariferhöhungen
Am Grosshandelsmarkt ist seit Mitte 2021 europaweit ein starker Anstieg der Preise zu beobachten. «Gründe dafür sind die hohen Gaspreise, die im Zuge des Kriegs in der Ukraine ausserordentlich stark anstiegen», schreibt die ElCom AG. Auch die stark gestiegenen Kohlepreise, die hohen CO2-Preise sowie die unterdurchschnittliche Produktionsfähigkeit der französischen Kernkraftwerke wirkten preistreibend.

Da der Schweizer Strommarkt eng mit dem europäischen verbunden sei, wirkten sich Preiserhöhungen auch auf die Schweiz aus, so die ElCom. «Viele Stromversorgungsunternehmen kaufen einen Grossteil ihres Stroms am Grosshandelsmarkt ein. Aufgrund der gestiegenen Marktpreise haben diese nun höhere Energiebeschaffungskosten, die sie dann über höhere Tarife an die Kunden in der Grundversorgung, also z.B. die Privathaushalte, weiterreichen.»

BKW erhöht den Tarif kaum
Die Gemeinden Saanen und Lauenen gehören zum Versorgungsgebiet der Bernischen Kraftwerke AG (BKW). Diese hatte schon früh angekündigt, den Tarif für die Grundversorgung nicht zu erhöhen, jedoch den höheren Tarif der Swissgrid für allgemeine Systemdienstleistungen um 0,3 Rappen pro Kilowattstunde den Kunden weiterzugeben. Bei einem Jahresverbrauch von 4500kWh entspreche dies einer Erhöhung von Fr. 13.50 im Jahr, so die BKW.

«Die BKW beliefert ihre grundversorgten Kundinnen und Kunden hauptsächlich mit Strom aus den eigenen Kraftwerken», begründet die BKW die praktisch gleichbleibenden Tarife. Wie teuer die Energie der BKW in der Grundversorgung sei, hänge somit primär von den Produktionskosten des Stroms ab. «Diese kann die BKW derzeit trotz der allgemeinen Teuerung überwiegend stabil halten – dank laufender Effizienz- und Digitalisierungsmassnahmen in ihren Kraftwerken.»

Starke Erhöhung in Gsteig
Während der Strompreis in den Gemeinden Lauenen und Saanen also nur moderat steigt, müssen die Stromkunden in der Gemeinde Gsteig massiv tiefer ins Portemonnaie greifen. Der Tarif steigt gegenüber dem Vorjahr (20,68Rp./kWh) um satte 48 Prozent. Anders als Saanen und Lauenen bezieht die Gemeinde ihren Strom aus dem eigenen Wasserkraftwerk. Simon Graa, Präsident der Elektrizitätsgenossenschaft Gsteig (EGG), relativiert die Tariferhöhung: «Auf den ersten Blick erscheint die Preissteigerung massiv, aber unsere Kunden konnten in der Vergangenheit auch von sehr günstigem Strom profitieren. Zwar stehen in unserer Gemeinde zwei Kraftwerke – mit dem Arnensee wären es sogar drei –, aber das Wasser vom Arnensee fliesst nach Aigle und das Sanetschkraftwerk gehört der BKW und der Stadt Bern.»

Die Kategorie ist entscheidend
«Mit dem Neubau unseres Kraftwerkes konnten wir 2015 einen Vertrag abschliessen, welcher uns für den produzierten Strom während 25 Jahren einen interessanten Preis garantiert, mit welchem wir die Kosten für den Neubau amortisieren können», erklärt Simon Graa. Gemäss diesem Vertrag muss die Genossenschaft aber die gesamte Stromproduktion an die KEV (Kostendeckende Einspeisevergütung) verkaufen und den gesamten Strom für die Kunden am Markt einkaufen. Fördergelder hat die EGG erhalten, weil sie durch den Neubau die Stromproduktion um 40 Prozent steigern konnte.

«Wir hatten in den vergangenen Jahren den Strom sehr günstig im Voraus – für teilweise fünf bis sechs Jahre – eingekauft und haben diese guten Preise auch an unsere Kunden weitergegeben, womit die Strompreise in unserer Gemeinde tiefer waren als in den Nachbargemeinden», so Graa weiter. Auch für 2023 habe die EGG in den Jahren 2017, 2020, 2021 und 2022 den Strom in verschiedenen Tranchen eingekauft, «die letzte Tranche allerdings zum wesentlich gestiegenen Marktpreis». Ein Vergleich über zwei Jahre (2022 und 2023) zeige, dass die Steigerung in der Gemeinde wesentlich kleiner ausfalle, als wenn die prozentuale Erhöhung für 2023 alleine betrachtet werde. Gemäss dem Tarifvergleich der ElCom bewegen sich die Differenzen zwischen Saanen und Gsteig für private Haushalte im einstelligen Prozentbereich (zwischen 0,42 und 9,74Rp./ kWh). Ein Gewerbebetrieb mit einem Verbrauch von 30’000kWh bezahlt hingegen 2,69 Rappen mehr pro kWh (12,23 Prozent) als in Saanen. Ein Haushalt mit einem Verbrauch von 2500kWh (Kat. H2) kommt in Gsteig jedoch um 0.62Rp./kWh (–2.19 Prozent) günstiger weg als in Saanen.

Für die Jahre 2024 bis 2026 hat die EGG den Strombedarf ebenfalls bereits teilweise eingekauft, wodurch die Preissteigerungen deshalb in den kommenden Jahren wesentlich moderater ausfallen werden.

Kritischer Blick auf die Strompolitik
Simon Graa wirft einen kritischen Blick auf die Schweizer Strompolitik. «Die Schweiz exportiert während der Sommermonate normalerweise viel Strom in die umliegenden Länder und bezieht dann im Winter vom Ausland Strom, wenn es in der Schweiz zu wenig gibt», so Graa. Die Elektrizitätsgenossenschaft Gsteig kaufe grundsätzlich nur Schweizer Wasserstrom – bisher immer von der BKW. Diese Gestehungskosten hätten sich ja nicht verändert und seien höchstens im Winter, wenn die Eigenversorgung in der Schweiz ungenügend sei – was nur während einiger Wochen der Fall sei – deutlich höher. «Weshalb verkaufen die Schweizer Stromkonzerne ihren Strom also den Schweizer Energieversorgern und Gemeinden zu solch horrenden Preisen?», fragt Graa und gibt die Antwort gleich selber. «Es sind dies die Marktpreise, die international bezahlt werden müssen für Strom, obwohl ja immer wieder gesagt wird, dass die Schweizer Stromkonzerne vom europäischen Stromhandel ausgegrenzt werden…» Irgendjemand verdiene in der aktuellen Marktsituation also gewaltig Geld, so Graa.

Die Strompreise im Vergleich: https://tinyurl. com/4upp6b4p


DIE VIER KOMPONENTEN DES STROMPREISES

1. Netznutzungstarif
Preis für den Stromtransport über das Leitungsnetz vom Kraftwerk bis ins Haus. Er wird bestimmt durch die Kosten für das Netz, d.h. für den Bau sowie Unterhalt und Betrieb.

2. Energietarif
Preis für die gelieferte elektrische Energie. Diese Energie erzeugt der Netzbetreiber entweder mit eigenen Kraftwerken oder kauft sie von Lieferanten ein.

3. Abgaben an das Gemeinwesen
Kommunale und kantonale Abgaben und Gebühren. Darunter fallen z.B. Konzessions abgaben oder lokale Energieabgaben.

4. Netzzuschlag
Bundesabgabe zur Förderung der erneuerbaren Energien, Stützung der Grosswasserkraft sowie für ökologische Sanierungen der Wasserkraft. Die Höhe der Abgabe wird jährlich vom Bundesrat festgelegt und liegt im Jahr 2023 wie im Vorjahr auf dem gesetzlichen Maximum von 2,3 Rp./kWh.

QUELLE: ELCOM


KEIN NACHTTARIF MEHR

Wie die BKW in einer Medienmitteilung schreibt, vereinfacht sie per 1. Januar 2023 ihre Tarifstruktur und bietet Kundinnen und Kunden mit einem jährlichen Bezug bis 50’000 Kilowattstunden nur noch einen Einheitstarif für die Energie-und Netznutzung an. Mit diesem kostet jede bezogene Kilowattstunde gleich viel. «Die BKW will mit dem Einheitstarif Anreize zu einer effizienten Netznutzung schaffen und Lastspitzen – insbesondere durch die zunehmende Elektromobilität – verringern», heisst es in einer Medienmitteilung der BKW. Dies trage zur Stabilität des Verteilnetzes bei. Ausserdem mache die BKW mit dem Einheitstarif einen wichtigen Zwischenschritt auf dem Weg zu neuen Tarifmodellen. Je nach individuellem Bezugsprofil könnten sich für die Kundinnen und Kunden, die vom optionalen Doppeltarif in den Einheitstarif wechseln, höhere Kosten ergeben.

PD BKW/ANITA MOSER


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