Wird das Wasser knapp?

  04.08.2022 Natur, Gesellschaft, Gemeinde, Gsteig, Saanenland, Natur, Saanen, Lauenen, Landwirtschaft, Wirtschaft, Klima

Eine Umfrage bei den Gemeinden zeigt: Es hat zwar noch genügend Wasser im Saanenland, die Quellen gehen aber zurück. Die Situation in der Alpwirtschaft wird immer prekärer. Es braucht deshalb dringend Regen. Zudem wird ein achtsamer Verbrauch in privaten Haushalten empfohlen.

JOCELYNE PAGE
Die letzten Wochen der Schulferien sind angebrochen und der Sommer zeigt sich weiterhin von seiner sonnigen Seite. Freude bei den Feriengeniessern, die gerne in der Badi umherplanschen, Outdooraktivitäten betreiben oder einfach nur in der Sonne liegen wollen. Warme Temperaturen und lange Trockenperioden haben allerdings auch zur Folge, dass unter anderem die Vegetation leidet, Gletscher schmelzen und das Wasser knapp werden kann. Eine Umfrage bei den Gemeinden Saanen, Lauenen und Gsteig zeigt: Wasserknappheit ist noch nicht eingetroffen. Eine längere Niederschlagsperiode wäre allerdings wünschenswert.

Das Wasser fliesst (noch)
In Gsteig bestünden zurzeit seitens der Gemeindewasserversorgung keine Probleme, wie Gemeindeschreiber Paul Reichenbach auf Anfrage schreibt. Positive Nachrichten gibt es auch aus Lauenen, wie die Nachfrage beim Brunnenmeister Walter Reichenbach zeigt: Die zwei Quellen, von denen die Gemeinde das Wasser fasst, liefern zurzeit 360 Liter pro Minute – der Normalwert liegt bei 390 Litern. Das Wasser fliesse sogar eher übermässig, betrachte man beispielsweise den Geltenschuss, doch sei dies eine bedenkliche Entwicklung. «Die hohen Temperaturen bringen viel Schmelzwasser von den Bergen und setzen dem Geltengletscher zu.» Komplizierter sieht die Situation in Saanen aus, da die Wasserversorgung ein grosses und topografisch umfangreiches Gemeindegebiet mit Wasser versorgen muss. Der Wasserverbrauch steige in den Wochen während des Beachvolleyball- und Tennisturniers rasant an, da die Anzahl Nutzer in kürzester Zeit ansteige, sagt Arno Romang, Betriebsleiter der Wasserversorgung Saanen. An Spitzentagen seien 8000 Kubikmeter Wasser (ein Kubikmeter = 1000 Liter) geflossen. «Das sind rund 2500 Kubikmeter mehr als an gewöhnlichen Tagen.» Zurzeit komme noch genügend Wasser von den Quellen. «Doch die Messungen zeigen, dass sie zurückgehen», erklärt Romang. Beispiel: Normalerweise transportierte die Quelle beim Bachbärgli in der Bissen rund 2000 Liter pro Minute, aktuell sind es 1400 Liter. «Es ist aber noch nicht so beunruhigend wie 2003. Es war einer der trockensten Sommer, da flossen nur 700 Liter pro Minute», so Arno Romang.

Sollten die Quellen versiegen, müsse die kommunale Versorgung Wasser bis nach Saanenmöser pumpen. «Dabei steigen die Energiekosten rasant an, da wir fürs Pumpen Strom benötigen.» Auch die UV-Behandlung und Aufbereitung des dafür benötigten Wassers verbrauche einiges an Strom (siehe Kasten «Preise könnten steigen»).

Jeder Einzelne ist gefragt
Fazit: Es hat zwar noch Wasser, doch die Wasserstände und der Grundwasserspiegel gehen zurück. Eine längere Regenperiode sei deshalb allemal wünschenswert, so Romang. «Ein kurzer Regenschauer hilft nicht, denn ein Liter Wasser pro Quadratmeter Vegetation wird kaum aufgenommen, es verdampft.» Erst ein «richtiger» Niederschlag bringe wieder genügend Wasser. Auch die Gesellschaft könne etwas dazu beitragen. «Dass während den aktuell heissen und trockenen Tagen mit Mass Wasser verbraucht werden sollte, ist bestimmt jedem klar», ist der Lauener Brunnenmeister Walter Reichenbach überzeugt – so auch sein Berufskollege aus der Gemeinde Saanen.

Seit fünf Jahren sparsamer unterwegs
Sorge tragen zum wertvollen Naturgut: Dies haben sich die Gemeinden schon lange auf die Fahne geschrieben. In den letzten Jahren hat beispielsweise Saanen in die Netzerneuerung investiert. «Leitungsbrüche und damit unnötiger Verlust von Wasser konnten wir entgegenwirken. Zudem haben wir ein neues Steuerungssystem, welches das Netz überwacht und eine Warnmeldung gibt, sollte irgendwo ein Leck auftauchen», erklärt Arno Romang. Zudem habe die Technologie einiges beigetragen, indem die Geräte in den Haushalten mit weniger Wasser auskämen. Eine Geschirrspül- oder Waschmaschine würde heute um einiges weniger Wasser verbrauchen als früher, in vielen Wasserhähnen seien Spardüsen installiert. «In den letzten fünf Jahren haben wir einen sinkenden Wasserverbrauch verzeichnet. Davor wurden rund eine Million Kubikmeter pro Jahr mehr verbraucht», so Romang.

Sorgenfalten bei den Alpwirten
Die Alpwirtschaft ist eher in Alarmbereitschaft. Von Mittwoch auf den Donnerstag habe das Quellwasser auf seiner Alp stark abgenommen, sagt David Perreten, Präsident der Landwirtschaftlichen Vereinigung Saanenland. «Ab jetzt wird es sicher auf vielen Alpen schwierig, den Bedarf zu decken. Meines Wissens gehen die meisten Alpbetriebe schon länger sparsam mit dem Wasser um. Es ist deshalb extrem wichtig, dass es bald regnet.» Für jeden Alpbetrieb sei es das Ziel, solange wie möglich auf der Alp zu bleiben, um vom Futterangebot auf den Weiden zu profitieren und nicht frühzeitig auf das Winterfutter umsteigen zu müssen. Angesichts des Ukraine-Kriegs befürchte man weniger Lieferengpässe, sondern vielmehr einen Preisanstieg bei den Futtermitteln. «Eine lange Sömmerung macht deshalb noch mehr Sinn», sagt Perreten. Sollte das Wasser tatsächlich ausgehen, würden die Landwirte auf Wassertransporte zurückgreifen – meist per Fahrzeug, da die Sömmerungsbetriebe mehrheitlich gut erreichbar seien.

Kann die Bevölkerung helfen, dass die Alpwirtschaft lange mit Wasser versorgt wird? Indirekt, so Perreten. «Oftmals lassen die Leute ihre Hunde in unseren Weidetrögen baden. Dadurch wird das Trinkwasser für unsere Tiere verschmutzt. Bei Wasserknappheit können wir nicht mehrmals täglich das Trinkwasser austauschen.» Die Landwirte seien deshalb dankbar, wenn die Halter ihre «Fellnasen» vom Planschen abhalten würden.


PREISE KÖNNTEN STEIGEN

Wird ein Gut rarer, steigen die Preise – dies hat sich letztens bei verschiedenen Ressourcen gezeigt, beispielsweise beim Treibstoff. Laut dem Schweizer Radio und Fernsehen SRF geht der Schweizerische Gemeindeverband (SGV) davon aus, dass durch die Wasserknappheit die Preise zukünftig steigen werden. Eine saisonale Lösung, dass beispielsweise während heissen Monaten und in der Folge vorherrschender Trockenheit die Wasserpreise angehoben werden, sei darum grundsätzlich denkbar. Der grösste Teil der Kosten falle für die Infrastruktur und die Betriebskosten bei der Wasserversorgung an, weshalb die Preise ansteigen würden, so Christoph Niederberg, Direktor des SGV.

Konflikte um die Nutzung von Wasser würden in Zukunft zunehmen, sagte Christoph Hugi, Spezialist für nachhaltiges Ressourcenmanagement und Dozent an der Fachhochschule Nordwestschweiz, gegenüber SRF. Er schlägt ein neues Berechnungssystem vor. «Man könnte darüber diskutieren, dass im Sommer, wenn Knappheit herrscht, der Preis steigt, abgestuft nach den entsprechenden Nutzungen, wo das Wasser verwendet wird.» Möchte also der Besitzer eines Schwimmbads seinen Pool füllen, müsste er tiefer in die Tasche greifen als ein Landwirt, der das Wasser für seiner Felder braucht.

Für ihn seien saisonale Preiserhöhungen eine Möglichkeit, den Konsum zu lenken, sagte Preisüberwacher Stefan Meier hans gegenüber SRF. Zuerst solle man aber auf Verbote setzen, etwa bei privaten Pools oder der Autowäsche.
Quelle: SRF


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DAS SAGT DER KANTON

Die Wasserversorgung im Kanton Bern ist jeweils auf Gemeindeebene geregelt. «Das Amt für Wasser und Abfall unterstützt die Wasserversorgungen jedoch bei der (längerfristigen) Planung von sicheren Wasserbezugsorten sowie der Vernetzung – und sichert den quantitativen und qualitativen Schutz des Wassers», schreibt Olivia Lauber, Abteilungsleiterin Wassernutzung beim Amt für Wasser und Abfall, auf Anfrage. Im Kanton Bern werde der grösste Anteil an Trinkwasser aus Grundwasserfassungen und Quellen gewonnen. Diese würden zwar grösstenteils durch Niederschläge gespeist, würden aber – abhängig vom geologischem Untergrund – sehr viel langsamer als zum Beispiel die Abflussmengen in einem Bach reagieren. Deshalb sei es durchaus möglich, dass in einigen Gebieten auch in einer längeren Trockenphase kein Mangel an Grundwasser herrsche, so Lauber.

Die Gewässerschutzgesetzgebung und das Berner Wassernutzungsgesetz würden eine sorgfältige und nachhaltige Nutzung von Wasser verlangen und der Kanton Bern setze sich dafür ein, dass diese Vorgaben erfüllt werden. «Der sorgsame Umgang mit Wasser scheint uns zu jedem Zeitpunkt angebracht», schreibt Lauber. In akuten Trockenphasen seien es in erster Linie die Wasserversorgungen, die bei Bedarf die Bevölkerung zum Wassersparen aufrufen würden, um das ihnen zur Verfügung stehende Wasserdargebot bestmöglich nutzen zu können.

PD

 


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